Hugo Rothomagensis

Dialogorum Libri VII

Hugo von Rouen

Die sieben Bücher der Dialoge

Arbeitsübersetzung des Textes von Migne, Patrologie Cursus Completus, Series Latina, Vol. 192, Paris 1854, 1141-1248

erstellt von Roland Hofmann

Brief Hugos, Erzbischof von Rouen, an Matthäus, Bischof von Albano

ES BEGINNT DER BRIEF HUGOS, ERZBISCHOF VON ROUEN, AN MATTHÄUS, BISCHOF VON ALBANO.

Nach vielem fragst du und noch mehr legst du vor und rücksichtslos achtest du nicht darauf, daß ich, der ich antworten muß, wenig dazu geeignet bin. Ich verweise dich auf die ehrwürdigen Bücher der Gelehrten, die ganz voll sind von scharfsinnigen Sätzen, klar durch die Zierde der Worte. Aber ich sehe, daß du träge bist, wenn du sie wegen ihrer Vielzahl meidest, wegen ihrer Scharfsinnigkeit verschmähst; und mich – mag sein, daß ich Verstand habe – drängst du als harter Vollstrecker zur Ausführung. Was aber sehr verwunderlich ist – du forderst, daß dir für das Erhabendste eine kurze Antwort und für das Gewichtigste eine leichte Antwort gegeben werde. Aber was machst du? Warum fügst du den Dingen, die du zu ordnen angefangen hast, so viele hinzu? Durch das Ungestüm deines Willens unterbrichst du gewiß oft das Begonnene und umherschweifend verletzt du die Ordnung der Fragen.
Du fragst nach der Schöpfung, und wie oft kommst du auf ihr Abirren zurück. Über die vernünftige Schöpfung, sowohl die, die gefallen ist, als auch die, die standhaft blieb, über das Böse und das Gute, was es ist, über die Freiheit des Willens und das Ordnen Gottes, über die Gnade unseres Erlösers und die Sakramente drängst du mich, dem das nicht zukommt, zu antworten. Vielmehr sind hier die Gelehrten aufzuführen, soll die Darlegung nicht der Meinung nach, sondern durch wahre Behauptungen verdeutlicht werden, und es sind hier, was besonders wichtig ist, die göttlichen Aussprüche anzuerkennen. Von den göttlichen Aussprüchen weicht kein Gerechter ab, die Vernunft greift kein Verständiger an, die Kirche läßt kein Glaubender verwildern.
Du sagst, daß aus Vielem viele Bücher gemacht werden müssen, damit dieselbe Sache mit unterschiedlichen Worten, nicht in unterschiedlichem Glauben, viele lehrt und auf dem Weg der Liebe zur Wahrheit hinführt. Wenn es mich also danach drängt, deiner Liebe zu gehorchen, weiß ich, daß sich die Verleumder dagegen erheben werden, die ich durch mein Schweigen dazu verurteilt habe, müßig dazusitzen, aber durch deine Liebe werde ich dazu gezwungen, zu sprechen und zu schreiben. Dies aber glaube ich von dir fordern zu dürfen, daß du das, was auch immer du in meinen Antworten Wahres findest, Gott zuweist, was dir aber nicht als wahr erscheint, ganz und gar mir zuschreibst, es nicht übernimmst, sondern in gegenseitiger Liebe gütig mir berichtest, wie es verbessert werden muß.
Denn uns, [die Frankreich hervorgebracht hat,] die Laon allein erzogen und gelehrt hat, die das Kleid Christi als Cluniazenser bedeckt, verbindet sowohl die Verwandtschaft des einen Geschlechtes als auch die Gemeinschaft des selben Gelübdes in Christus. Aber dich hat bald darauf der Apostolische Stuhl erwählt, Bischof von Albano zu sein; mir hat er, indem er mich in die Normandie geschickt hat, befohlen, Priester in Rouen zu sein; an Matthäus, meinen liebsten Vater und Herrn.

Hugo von Rouen

Die sieben Bücher der Dialoge

Buch 1

ES BEGINNT DAS ERSTE BUCH.

Über das höchste Gut

Gott ist in höchstem Maße wahr und wahrhaft der Höchste, er ist das einfache Gut [die Bedeutung des Wortes einfach (lat. simplex) erklärt auf vortreffliche Weise Augustinus in seinem Werk De Civitate Dei (XI, 10): „Einfach heißt ein Wesen dann, wenn es ihm eigentümlich ist, nichts zu besitzen, was es auch verlieren könnte, oder wenn zwischen Besitzer und Besitz kein Unterschied besteht.“], vollkommen, unveränderlich, einzig. Was vom einfachen Gut gezeugt ist, ist gleichsam einfach. Deshalb ist es notwendig, daß dieses Gezeugte auch dasselbe ist wie jenes, aus dem es gezeugt ist. Diese beiden nennen wir den Vater und den Sohn, aus denen der Heilige Geist hervorgeht, der genauso einfach, unveränderlich und gleich ewig ist. Diese drei können nicht gezählt werden, weil sie weder dem Wesen noch der Art nach unterschieden sind. Die Dreiheit ist nicht größer als die Einheit und die Einheit nicht kleiner als die Dreiheit. Denn diese Dreiheit bleibt gänzlich einfach. Deshalb kann sie nicht vielfältig sein. Die Kenntnis dieser einfachen Dreifaltigkeit wird uns so vortrefflich überliefert, wo zu Beginn des Buches Genesis gut vorausgeschickt wird: Im Anfang schuf Gott, (Gen 1,1) und dann folgt: Und der Geist des Herrn schwebte darüber. (Gen 1,2) Denn Gott schuf im Anfang alles, das heißt der Vater schuf im Sohn alles. Daß aber der Sohn der Anfang ist, bezeugt er selbst, indem er sagt: Ich bin der Anfang, der ich auch zu euch spreche. (Joh 8,25) Er wird wahrhaft der Ursprung aller Schöpfung genannt, und er wollte sie in seiner allmächtigen Kraft aus dem Nichts schaffen. Indem erwähnt wird, daß der Geist des Herrn darüberschwebt, wird das Zusammenwirken der Dreifaltigkeit gezeigt. Betrachte daher den Schöpfer und die Schöpfung und erwäge, wer sie geschaffen hat und durch wen und weshalb. Denn es ist der Vater, der schafft, es ist aber der Sohn, durch den er schafft, und es ist der Heilige Geist, der der Grund dafür ist, daß [alles] gefiel, was geschaffen wurde. Eben jene höchste Wesenheit, die Gott ist, hat in ihrer und der ihr wesensgleichen Weisheit auf Grund ihres unwandelbaren Wohlwollens alles geschaffen. Frei von jeder Bedürftigkeit, hat der Gute Gutes, der Eine alles geschaffen. Indem durch Mose gesagt wird: Gott sprach: Es werde Licht, (Gen 1,3) und so fort, und indem jeweils folgt: Gott sah, daß es gut ist, wird angezeigt, daß dieselbe Dreifaltigkeit in den einzelnen Werken handelt.
Wie der Sohn Gottes der Ursprung aller Schöpfung ist, damit sie ist, so ist er für dieselbe auch das Wort, damit das gut gemachte bleibend gut ist. Wie er sich als der Ursprung dessen, was geschaffen werden sollte, erwiesen hat, genauso ist er auch für dieses schon Geschaffene das Wort. Denn er schuf, und schaffend sprach er, indem er die Einzelnen seinen Gesetzen unterwarf, die Ordnungen unterschied und die Zeiten bezeichnete. Daher geschieht es, daß die Schöpfung, indem sie seine Anweisungen nicht übertritt, gewiß schön und ehrenhaft genannt wird. Welche aber die Anweisungen überschreitet, die wird bald unehrenhaft und als Übeltäter bestraft. Also ist der, der Ursprung des Schaffens ist, auch das Wort für das Geschaffene. Es zeigt sich, daß diese beiden in sich eins sind, indem er sagt: Ich bin der Ursprung, der ich auch zu euch spreche. (Joh 8,25)
Der Geist des Herrn aber, von dem vorher erwähnt wurde, daß er über der Schöpfung schwebt, damit sie ist, sieht ebenso das schon Geschaffene an, damit es gut ist. Dieses Sehen aber ist dasselbe wie das Gefallen. Denn der, dem es gefiel, daß er alles gut geschaffen hat, dem gefällt es auch, daß das gut Geschaffene gut bleibt. Dieser Schöpfer ist hervorragender als alles, weil er alles vermag. Die Kunst, mit der er schafft, ist überragender als alles, denn er kennt jedes einzelne. Der Grund dafür, weshalb er schafft, ist besser als alles, denn indem er gut bleibt, liebt er es, immer Gutes zu schaffen. Diese drei sind gleichewig und zugleich die Höchsten und einfach Einer. Drei sind sie wegen der Eigentümlichkeiten der Personen, einer wegen der unteilbaren Gottheit. Daher verhält es sich so, daß, wenn etwas über einen Einzelnen gemäß der Substanz ausgesagt wird, dies zugleich von allen, nicht mehrfach, sondern einfach ausgesagt wird. So dürfen wir auch, indem wir wahrhaft sagen, daß der Vater Gott ist, der Sohn Gott ist und der Heilige Geist Gott ist, nicht von drei Göttern sprechen, sondern lediglich einen verkünden, und wir beten die göttliche Wesenheit an als einzig eine und allein einfache.

II. FRAGE. Was ist das – frage ich – was du gemäß der Substanz sagen wolltest, weil von Gott nichts gemäß dem Akzidens gesagt werden kann?
ANTWORT. Jene höchste und vollkommene Einfachheit des Wesens, die wir Gott zuschreiben, nimmt weder eine Vermehrung an noch erleidet sie einen Verlust. Sie erleidet keine Verschiedenheit, denn sie kennt keine Veränderlichkeit. Denn wo immer Veränderlichkeit ist, dort ist auch vielfältig die gehäufte Mannigfaltigkeit akzidentiellen Wechsels. Für jeden veränderlichen Gegenstand gilt, daß das, was nicht gemäß der Substanz ausgesagt wird, gemäß dem Akzidens gesagt werden muß. So wird bei der Substanz, die der Mensch ist, gefragt, wie beschaffen er ist und wie groß, oder worauf er sich bezieht, ob er steht oder liegt, ob er einen Helm trägt oder geschmückt ist, wo er sich befindet, wann er geboren ist, ob er etwas tut oder erleidet. Denn auf diese Weise wird durch die Unterscheidung der Kategorien folgendes bekannt: Substanz, Qualität, Quantität, Relation, Liegen, Haben, Ort, Zeit, Tun und Erleiden.
Bei Gott aber, bei dem es keine Veränderung gibt, gibt es keine Akzidentien. Aber dennoch bezieht sich der Vater auf den Sohn und der Sohn auf den Vater und auf jeden von beiden bezieht sich der Geist beider. Das wird freilich nicht gleich einem Akzidens bei Gott ausgesagt, denn ewig ist dieser der Vater, jener der Sohn und jener der Heilige Geist beider, es sind drei Personen ohne jede Veränderlichkeit, ein Gott. Daher heißt es im Plural und im Singular: Ich und der Vater wir sind eins. (Joh 10,13) Eins sagt er und wir sind. Eins gemäß der Wesenheit, die Gott ist, wir sind gemäß der Beziehung, weil dieser der Vater ist, jener der Sohn und jener der Heilige Geist, das Geschenk von beiden.

III. FRAGE. Wenn viele in der Zeit durch die Gnade Gottes wiedergeboren werden und in der Zeit Gott beginnt, ihr Vater oder Herr oder Meister oder Freund genannt zu werden, beweist dann nicht diese Beziehung, die gewiß in der Zeit beginnt, daß es in Gott etwas dem Akzidens nach gibt?
ANTW. Wir leugnen nicht, daß Gott in Bezug auf die aus der Gnade wiedergeborenen in der Zeit beginnt, Gott genannt zu werden; aber dennoch bezeugen wir, daß es ein Frevel wäre, zu meinen, daß dies bedeute, daß es ein Akzidens in Gott gäbe. Wir unternehmen es ja gerade ihn als den zu bezeichnen, von dem wir wissen, daß er keinen Anfang hat, für den weder Zukünftiges kommt noch Vergangenes vorübergeht, sondern alles als Gegenwärtiges verharrt. Daher sammelt er die Seinen nicht nach einem neuen Plan, noch liebt er sie mit einer neuen Liebe. Aber indem die Seinen sich zu ihm flüchten und sich zu ihm bekehren, werden sie zum guten verwandelt, wobei er sich nicht verändert. So werden sie auch, wenn sie von Gott zurückweichen, zum schlechten verwandelt, wobei er gleichsam unbewegt bleibt. So geschieht es, daß, wenn Gott den Guten gegenüber milde, den Bösen gegenüber aber zürnend genannt wird, jene sich zwar verändert haben, er selbst aber nicht verändert wurde, gleichsam wie ein und dieselbe Klarheit eines Glanzes für gesunde Augen angenehm, für kranke Augen jedoch stechend ist.

IV. FRAGE. Deine Antwort sagt mir zu. Aber wie kann Gott, der das einfache Gut ist, der Dreifaltige sein? Denn wenn ich von der Dreifaltigkeit Gottes oder vom dreieinen Gott reden höre, scheint es mir, daß ich von einer dreifachen Gottheit höre. Und wenn ich auf den katholischen Glauben schaue, den ich bekenne, so erröte ich, weil ich selbst zu glauben meine, daß Gott nicht einfach, sondern wegen der Dreifaltigkeit mannigfaltig ist.
ANTW. Deine Klugheit möge erwägen, daß Körper durch Masse groß sind. Daher ist es so, daß etwas Größeres in bezug auf etwas Kleineres entweder das Doppelte, das Dreifache, oder je nach Menge der Teile sonstwie ein Vielfaches ist. In geistigen Dingen aber, deren Großsein nicht in der Größe der Masse, sondern in der Größe der Tugendkraft besteht, erweist sich diese Tugendkraft als größer als sie vorher war, wenn das Gute dem Besseren anhangt, wie die geistige Schöpfung dem Schöpfer, was durch die Liebe geschieht. Größer sind sie freilich an Tugendkraft, nicht an Masse und somit bedeutet hier größer sein, besser sein. Wer aber dem Herrn anhangt, wird, wie der Apostel bezeugt, ein Geist mit ihm, (1Kor 6,17) und so wird er größer, weil er besser wird. Deshalb besteht diese Größe nicht in einer Vervielfachung, sondern sie ist die einfache Liebe.
Weil aber feststeht, daß Gott vollkommen das Wahre und wahrhaft das Vollkommene und, unveränderlich in der Wahrheit und in der Vollkommenheit, das Höchste ist, deshalb ist in der Dreifaltigkeit, die Gott ist, nicht einer größer als der andere, weil in keinster Weise einer wahrer oder vollkommener als der andere ist. Daher ist alles das, was Gott zukommt, in ihm wegen seiner allmächtigen Tugendkraft vollkommen. Es gibt nichts, wodurch diese so große Vollkommenheit wachsen oder schwinden könnte. Daher darf Gott auch nicht dreifach genannt werden, sondern Dreifaltigkeit. So echt nämlich ist die Einfachheit seiner Natur, daß die Dreiheit nicht größer ist als die Einheit und die Einheit nicht geringer als die Dreiheit. In ihm gibt es keine körperliche Masse oder irgendeine Veränderung, sondern allein die dauerhafte Beständigkeit der höchsten Vollkommenheit und Unversehrtheit. Daher sind der Vater und der Sohn und der Heilige Geist zusammen nicht größer als allein der Vater, oder allein der Sohn, oder allein der Heilige Geist. Zu recht habe ich gesagt, allein. Denn ein anderer ist der Vater, ein anderer ist der Sohn, ein anderer der Heilige Geist. Denn in der Wesenheit Gottes bleibt in unversehrter Einheit die Verschiedenheit der Personen bestehen und es gibt keine Vermischung. Und dennoch meint eine derartige Verschiedenheit nicht, daß dadurch irgendetwas in irgendeiner Hinsicht ungleich zum anderen wäre.

V. FRAGE. Ich höre dir sehr gerne zu. Aber wie nun die Dreiheit in der Einheit oder die Einheit in der Dreiheit ist, kann ich überhaupt nicht verstehen.
ANTW. Es gibt Dinge, die wir in diesem sterblichen Leben weder durch die Sinne des Körpers noch durch die Vernunft des Geistes erkennen können, sondern allein durch die Kenntnis des Glaubens sehen. Der Standpunkt des Glaubens ist gewiß um so wahrer, desto fester er sich auf die göttliche Autorität stützt. Denn in den Dingen, die wir mit dem Sinn des Fleisches erfassen, täuschen wir uns nur allzu oft, und weil die Trägkeit des verdorbenen Fleisches die Augen unseres Geistes heftig zurückwirft, ist es gewiß nur weniges, das unser Verstand richtig zu bestimmen vermag. Allein der katholische Glaube weiß alles auf das sicherste, was die Mutter Kirche, gelehrt vom Geist des Herrn, erfaßt hat. Dies alles bezeugt unzweifelhaft Gott als in der Dreiheit einen und in der Einheit dreifaltigen. Ihn macht weder die Einheit einsam noch die Dreiheit geteilt. Daran rühren wir zum Teil im gegenwärtigen Leben durch den Glauben, dereinst aber werden wir es in vollkommener Liebe unvergänglich schauen. Dazu sagt der Apostel: Wenn aber das kommt, was vollkommen ist, wird das vergehen, was nur zum Teil ist. (1Kor 13,8) Wundere dich also nicht, daß wir uns anstrengen und doch wenig sehen. Denn solange wir nur zum Teil sind, erkennen wir unvollkommen. Wenn jedoch diese Unvollkommenheit endlich vergangen ist und wir im anderen Leben vollkommen schauen werden, dann werden wir im Ganzen ruhen, das heißt in Gott. Höre was der Apostel bezeugt: Dann, sagt er, werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin. (1Kor 13,12) Dort werden wir in Gegenwart der unveränderlichen Wahrheit so voll und ganz Gott den Vater zusammen mit seinem eingeborenen Sohn und beider Heiligen Geist erkennen, daß im Vergleich zu dieser Erkenntnis Gottes die Kenntnis, die wir im gegenwärtigen Leben von uns selbst haben, eine sehr geringe ist.
Wenn wir daher jenes unaussprechliche, das Gott ist, im gegenwärtigen Leben so gut es geht aussprechen wollen, was wir dennoch, wie zugegeben werden muß, auf keinste Weise können (denn er ist wahrer, als wir ihn im Geist erfassen können, und wahrer wird er vom Geist erfaßt, als er mit dem Mund ausgesprochen werden kann), so bezeichnen wir Gott auf Grund der Wahrheit des Glaubens als drei Personen, nicht um zu erörtern, sondern nur, um nicht schweigen zu müssen. So antworten wir, weil gesprochen werden muß, sei es, weil der Zweck der Lehre es erfordert, oder die Notwendigkeit, sich mit den Irrlehrern auseinanderzusetzen, und wir bestimmen, daß das, was in der Gottheit als Dreiheit bezeichnet wird, als drei Personen bezeichnet werden muß. Denn wie von den Griechen Gott als in drei Subsistenzweisen und einer Wesenheit bezeichnet wird, so verkündigen wir Lateiner drei Personen und eine Substanz, oder, was wahrer ist, eine Seinsweise. Denn mit diesen Worten sprechen wir aus, was wir ohne Worte im Geist erfaßt haben. Deshalb nimmt aus Wortmangel die Kirche das Wort, das bei den Lateinern das Wort Person ist, als Antwort auf das Wort, für das der katholische Grieche das Wort Subsistenz setzt. Daher sagen wir Lateiner, daß es in der Gottheit drei Personen gibt, nicht weil wir damit eine Verschiedenheit der einfachen Natur meinen würden; aber wir, die wir in der Einheit die Dreiheit verehren, wollen keine Vereinzelung.

VI. FRAGE. Daß es im Wesen der Gottheit, das wahrhaft eines ist, dennoch die sichere Unterscheidung dreier Personen gibt, darüber wundere ich mich unablässig, weil ich es nicht begreife.
ANTW. Wie du dich über Gott wunderst, weil du zwar meinst, ihm glauben zu müssen, aber auf keinerlei Weise erkennst, wie er ist, so wirst du auch herausfinden, wenn du dich dir zuwendest, daß du dir selbst ein Rätsel bist. Denn was du zu wissen meinst, kannst du dennoch nicht erklären.

VII. FRAGE. Was meinst du damit?
ANTW. Sag mir doch einmal, wie dein Körper und dein Geist, die ja in der Substanz verschieden sind, in deiner Person eins sind. Gewiß sind dieser Körper und dieser Geist – ich spreche von dir – für dich zwei Einzeldinge und in ihrer Natur verschieden. Wer – ich meine natürlich dich – macht diese zu einem Einzelwesen?

VIII. FRAGE. Nun hast du mich aber ganz schön in die Enge getrieben, indem du mir gezeigt hast, daß ich mich selbst nicht kenne. Wie du gesagt hast, meinte ich mich selbst zu kennen. Aber um die Wahrheit zu gestehen, was das genau ist, was ich kenne, vermag ich nicht darzulegen.
ANTW. Wie du es weißt, dich für verschieden in der Substanz und eins in der Person zu halten, dies aber nicht zu erklären weißt, so lehrt dich die Mutter Kirche, daß Gott einer ist im Wesen und dreifaltig in der Person. Das ist es, mein Liebster, was du treu glauben mußt, auch wenn du es, wie es momentan der Fall ist, nicht erklären kannst. Wandle im Glauben, damit du zur Erkenntnis gelangst. Denn wir sehen nun, wie der Apostel sagt, [durch einen Spiegel] in rätselhafter Andeutung, dann aber von Angesicht zu Angesicht. (1Kor 13,12)

IX. FRAGE. Was bedeutet dieser Spiegel, durch den wir jetzt, nach dem Zeugnis des Apostels, in rätselhafter Andeutung Gott schauen?
ANTW. Mose hat im Buch Genesis geschrieben, daß Gott den Menschen nach seinem Bild, ihm ähnlich, geschaffen hat. Dieses Bild nennt, wie wir meinen, der Apostel Spiegel. Denn in diesem Bild können wir wie in einem Spiegel Gott gegenwärtig sehen, aber in rätselhafter Andeutung, das heißt in großer Undeutlichkeit. Denn die vernünftige Seele, die nach dem Bild Gottes geschaffen ist, vermag gleichsam Dreierlei: sie erkennt sich, sie erinnert sich ihrer und sie liebt sich selbst. Bei all dem ist sie dennoch eine. In ihr bringt das, was die Erkenntnisfähigkeit genannt wird, gleichsam die Erinnerung hervor. Denn was sie weiß, dessen erinnert sie sich, daß sie es weiß. Denn wie sollte sie sich erinnern, wenn sie nicht vorher wissen und erkennen würde? Aus diesen beiden geht die Liebe hervor, indem die Seele es liebt, an sich zu erkennen, daß sie sich erinnert und es liebt sich daran zu erinnern, daß sie erkennt. Beachte auch, daß diese drei so gleich sind, daß die Seele, wie sie erkennt, daß sie sich ihrer erinnert und sich liebt, so auch sich erinnert, daß sie sich erkennt und liebt und ebenso liebt, daß sie sich erkennt und sich ihrer erinnert.
Durch dieses Bild, dem du glauben mußt, erwäge, wen dieses Bild bezeichnet. Denn so, aber doch auf eine verschiedene Weise, so zeugt Gott der Vater ewig den Sohn und so geht aus beiden immerfort der Heilige Geist hervor. Wenn die drei auch der Person nach verschieden sind, so bleibt den dreien doch eine Wesenheit, eine Allmacht, dieselbe Ehre, dieselbe Herrlichkeit. Wenn daher jene höchste Glückseligkeit immerwährend das ihr wesensgleiche und gleichallmächtige Wort zeugt, oh welche unaussprechliche Freude geht da ewiglich von dort aus! Dieses Wort, das nicht von Gott gemacht, sondern von Gott gezeugt ist, spricht ewiglich den Vater und sich selbst und den Geist, der von beiden ausgeht.

X. FRAGE. Was bedeutet das, daß der Vater den Sohn zeugt, daß das Wort spricht und daß der Heilige Geist von beiden ausgeht?
ANTW. Daß der Vater den Sohn zeugt, bedeutet dasselbe, wie daß er seine Weisheit nicht anderswoher, sondern immer aus sich hat. Es steht allerdings fest, daß die Schöpfung ihre Weisheit nicht aus sich, sondern anderswoher hat. Wem von einem anderen her das Sein zukommt, dem kommt auch von einem anderen her das Weise-Sein zu. Aber für jene höchste Wesenheit, die Gott ist, bedeutet Sein dasselbe wie Weise-Sein. Deshalb beten wir ohne Unterschied den Gezeugten mit dem Zeuger an, als den gleichewigen und wesensgleichen Sohn des Vaters. Das Sprechen dieses Wortes bedeutet, daß es immer zugleich alles weiß. So bedeutet auch, daß der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, dasselbe, wie alles Bekannte gleichsam zu lieben. Immer geht aber der von beiden hervor, der immer liebt. Diese drei sind gemeinsam gleichewig, sie sind gemeinsam eins in der Wesenheit und deshalb sind sie auch gemeinsam anzubeten. Denn drei sind sie der Person nach, nicht im Wesen; eins sind sie im Wesen, nicht der Person nach. Das offenbart den Engeln selbst das aus dem Vater geborene Wort, das kündet den Menschen selbst das Fleisch gewordene Wort. Die Engel schauen es und werden glücklich gemacht; die Menschen glauben es und werden gerecht gemacht. Wie aber das Wort deines Herzens als zur Sprache gebrachtes in meinen Ohren ertönt, so erschien das Wort Gottes mit dem Fleisch bekleidet unter uns. Es spricht zu den Engeln in seiner Wesenheit, zu den Menschen im angenommenen Fleisch.

XI. FRAGE. Wie wird von dem Wort gesagt, daß es Fleisch geworden ist? Hat es etwa aufgehört, das Wort zu sein, als es Fleisch geworden ist?
ANTW. Das Wort Gottes, mein Liebster, ist Gott. Daher war es nicht vorher ein anderes, noch kann es sich auf irgendeine Weise verändern. Es bleibt so, wie es ewiglich beim Vater besteht und es ist aus der Mutter geworden, was es für uns in der Zeit angenommen hat. Es ist Fleisch geworden, das heißt Mensch, gemäß dem Schriftwort: Alles Fleisch wird Gottes Heil schauen. (Lk 3,6) Alles Fleisch bedeutet: jeder Mensch. Dein Glaube möge daher auf das beharrlichste daran festhalten, daß das Wort Gottes mit dem Vater eins ist im Wesen, verschieden jedoch in der Person, mit dem angenommenen Menschen aber eins in der Person, verschieden im Wesen. Es steht fest, daß Christus aus zwei und in zwei Naturen besteht, Gott und Mensch, und zugleich einer ist. Denn wie das Fleisch und die vernunftbegabte Seele ein Mensch ist, so ist das Wort Gottes und der angenommene Mensch ein Christus. Er hat gewiß echtes Fleisch angenommen, durch das er für uns leiden, sterben und auferstehen wollte. Auch hat er eine Seele angenommen, über die er selbst sagte: Ich habe die Macht, meine Seele abzulegen und sie wiederum anzunehmen. (Joh 10,18) Mit dieser ist er in die Unterwelt hinabgestiegen und hat die Seinen von dort als Freie herausgeführt.
In Christus sind also zugleich das Wort Gottes, eine vernunftbegabte Seele und menschliches Fleisch. Diese drei aber sind unvermischt und unterscheiden sich auf Grund der Natur, sie sind aber durch das Wirken der höchsten Macht in der Einheit der Person verbunden. Daher wird Christus ganz Gott genannt wegen Gott und ganz Mensch wegen des Menschen. Daher hat er gesagt: Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen, außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist, der Menschensohn, der im Himmel ist. (Joh 3,13) Und Paulus sagt: Wenn sie ihn erkannt hätten, hätten sie den Herrn der Herrlichkeit niemals gekreuzigt. (1Kor 2,8) Zurecht bezeugt also der Menschensohn, weil er Gott ist, von sich, daß er vom Himmel herabgestiegen ist, und daß er im Himmel ist, während er auf Erden spricht. Aber auch zurecht sagt der Apostel, daß der Herr der Herrlichkeit gekreuzigt worden ist, weil er Mensch ist und so wahrhaft unserer Sterblichkeit teilhaftig. Es ist ein und derselbe Christus, der für uns gelitten hat, dem Fleische nach im Grab war und der Seele nach in der Unterwelt, aber der Gottheit nach, die überall ist, das Paradies nicht verlassen hat. Genau das ist damit gemeint, wenn er dem Schächer, der sich bekehrt hat, verheißt: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. (Lk 23,43) Überall nämlich ist das Paradies, durch welchen Namen jene Ruhe bezeichnet wird, in der man glücklich lebt. Jeder, der in ihm ist, ist dort gewiß mit jenem und durch jenen und in jenem, der überall ist. Denn die höchste Wesenheit, die Gott ist, ist überall ganz. Indem sie unbewegt bleibt, bewegt sie mit ihrem Wink aufs vortrefflichste alles Bewegliche.

XII. FRAGE. Wenn, wie du sagst, Gott überall ist und jedes einzelne bewegt, muß er doch einmal dort sein, wo er vorher nicht gewesen ist und einmal das tun, was er vorher nicht getan hat. Denn da ich selbst erst seit kurzem bin, gab es eine Zeit, in der ich nicht war. Deshalb muß doch auch Gott erst seit kurzem in mir sein und mich bewegen und war nicht immer in mir und hat mich nicht immer bewegt, eben weil ich nicht schon immer bin. Daher meine ich, daß er entweder nicht in mir ist und mich nicht bewegt, oder wenn er, wie du es bekräftigst, in mir ist und mich bewegt, er daher in mir zeitlich ist und mich dem Wandel unterworfen bewegt.
ANTW. Es scheint mir, daß du dein Sein und das Sein Gottes unterschiedslos betrachtest. Du mußt aber wissen, daß dein Sein zeitlich ist, denn du bist Geschöpf. Wenn es aber zeitlich ist, dann ist es auch dem Wandel unterworfen. Das Sein Gottes aber ist ewig. Er ist immer derselbe. Was aber immer dasselbe ist, ist auf jeden Fall auch unwandelbar. Wenn daher der in dir ist, der unwandelbar und überall ist, so ist er gewiß nicht deinem, sondern seinem Sein nach in dir. Das seine bewegt das Zeitliche, aber er wird nicht von der Zeit verändert. Das seine mißt das, was einen Ort hat, wird aber nicht von einem Ort eingeschlossen. Was aber allein unwandelbar und wahrhaft ist, muß daher überall sein, weil alles, was wandelbar ist, durch sich auf keinste Weise Bestand haben kann, sondern nur in dem und durch den und in dem, der der Höchste ist. Was wandelbar ist, ist nicht ewig. Was aber nicht ewig ist, das ist, insofern es dennoch besteht, mit Sicherheit aus Nichts geschaffen, denn es ist nicht ewig. Damit aber aus Nichts etwas entsteht, muß es den Allmächtigen zum Schöpfer haben. Was aber aus Nichts geschaffen ist muß, damit es nicht in Nichts zurückfällt, in dem sein, durch den es ist. Dazu sagt der Apostel: Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir. (Apg 17,18) Und andernorts: Aus ihm und durch ihn und in ihm ist alles. Ihm sei die Ehre. (Röm 11,36)

XIII. FRAGE. Deine Antwort gefällt mir. Aber wie ist Gott überall? Ist er etwa unter die einzelnen Dinge mehr oder weniger zerstreut oder aufgeteilt?
ANTW. Du mußt wissen, daß Gott, der überall ist, nicht mit körperlicher Masse oder räumlicher Größe in allem sich ausbreitet. Denn er ist in einem Teil nicht kleiner als im Ganzen und im Ganzen nicht größer als in einem Teil, wie auch die Unsterblichkeit, die in Christus angebrochen ist und die uns am Ende verheißen ist, nicht in irgendeinem Teil des Körpers größer oder kleiner sein wird. Die Größe des Körpers ist freilich in seinen größeren Teilen größer, in den kleineren kleiner. Die Eigenschaft des Körpers aber, die Unsterblichkeit genannt wird, wird genauso groß sein in den größeren und kleineren Teilen des Körpers, dem diese Eigenschaft zukommt. Unterschiedlich wird in den Gliedern je nach Ausdehnung die Größe sein, aber gleich wird in den ungleichen Gliedern ihre Eigenschaft sein, weil Gesundheit oder Unsterblichkeit eine in allem sind. Aber wieder anders als eine solche Eigenschaft einem Körper zukommt, ist Gott in allem Geschaffenen. Denn wenn du einer Eigenschaft den Körper wegnimmst, dem sie zukommt, so wird sie nirgendwo mehr eine Eigenschaft sein und somit garnicht mehr sein. [Wie die Körper, wenn du ihnen die räumliche Ausdehnung nimmst, nirgends mehr sind und, weil sie nirgends mehr sind, garnicht mehr sind.] Aber Gott wohnt gewiß den Dingen inne und wohnt allen auf gleiche Weise ganz inne und indem er in den einzelnen ganz bleibt, bleibt er überall auch ganz in sich selbst. In sich selbst habe ich gesagt, weil alles, dem der innewohnt, ohne ihn nicht sein kann, er selbst aber keinerlei bedarf, ohne das er nicht sein könnte. Er bleibt vollkommen und glückselig allein in sich selbst.

XIV. FRAGE. Ich meine, daß wahr ist, was du gesagt hast. Aber den Geist bewegt, wie das Wort Gottes in der Zeit Mensch werden konnte, obwohl es doch, weil es Gott ist, unveränderlich besteht.
ANTW. Im Wort Gottes besteht zeitlos alles, was in der Zeit entsteht. Daher bleibt im Wort Gottes auch jene Zeit zeitlos, zu welcher es ihm nötig war, im Fleisch zu erscheinen. Denn es kam, wie der Apostel sagt, die Fülle der Zeit, in der Gott seinen Sohn sandte, geboren aus einer Frau. (Gal 4,4) Aus einer Frau sagt er daher, weil er den Unterschied des Geschlechts bestimmen wollte. Was aber überall ist, ist gewiß in dem gesandt, das es geworden ist. Denn es ist Fleisch geworden, nicht in Fleisch verwandelt worden. In dem aber, was es geworden ist, ist es weniger als der Vater.
Ich möchte aber, daß du weißt, daß das Wort auf eine Weise geschickt wird, um mit dem Menschen zu sein und auf andere Weise, um selbst Mensch zu sein. Denn es ist die Weisheit des Vaters, die der ersehnte, daß sie ihm geschickt wird, der sagte: Schicke sie vom Thron deiner Macht, damit sie bei mir sei und sich mit mir mühe, (Weish 9,10) das heißt, daß sie mich lehre und macht, daß das ausgeführt wird, was sie gelehrt hat. Sie hat sich aber selbst, wie sie es wollte, auf die Menschen übertragen, die sie zu Freunden Gottes und Propheten bestimmt hat; auch wohnt sie so den heiligen Engeln inne, indem sie sie durch den übereinstimmenden Dienst der Liebe ordnet. Sie kommt auch zu dem Menschen, von dem sie erkannt und geliebt wird, soviel es dem Geist gegeben ist, zu erfassen und zu lieben. Indem sie aber durch jemandes Geist wie auch immer aufgenommen wird, erweist sie sich zwar den Umständen nach als gesandt, aber nicht in diese Welt, da sie keineswegs den Sinnen des Körpers sinnenhaft gezeigt wird, so wie der Geist selbst, in soweit er an Göttlichem teilhat, nicht glaubt, in dieser Welt zu sein.
Aber ganz anders sagen wir vom Sohn, daß er gesandt wurde, weil er gezeugt wurde. Denn er sagt: Ich bin aus dem Mund des Höchsten hervorgegangen. (Sir 24,5) Wie aber geboren sein für den Sohn bedeutet, daß er vom Vater ist, so bedeutet, daß der Sohn gesandt wurde, zu erkennen, daß er vom Vater ist. Ebenso bedeutet Geschenk Gottes sein für den Heiligen Geist, daß er vom Vater und vom Sohn hervorgeht und gesandt werden bedeutet hier zu erkennen, daß er von beiden hervorgeht. Daher sagt der Sohn: Er ist aus dem Vater hervorgegangen. Und anderswo: Den ich euch vom Vater senden werde. (Joh 15,26) Daß er auch aus ihm hervorgeht zeigt er, indem er die Jünger anhaucht und zu ihnen sagt: Empfangt den Heiligen Geist. (Joh 20,24) Beachte, daß der Sohn körperlich anhaucht; nicht daß jener körperliche Hauch die Substanz des Heiligen Geistes wäre; aber durch das Anhauchen ist ein Zeichen dafür gesetzt worden, daß der Heilige Geist nicht nur aus dem Vater hervorgeht, sondern auch aus dem Sohn. Genau dieser ist nach dem Zeugnis des Evangeliums die Kraft, die von Christus ausging und alle heilte. Auch vom Vater wird er gesandt, wie man liest: Den der Vater in meinem Namen senden wird. (Joh 24,26) Wir lesen ja, daß der Sohn und der Heilige Geist gesandt wird, vom Vater aber liest man nie, daß er gesandt wird. Denn wie er nichts hat, aus dem er entsteht, so hat er auch nichts, wovon er ausgeht oder hervorgeht. Daher wird nicht von ihm gesagt, daß er gesandt wurde, auch wenn er den Umständen nach von irgendjemandes Geist erkannt wird. Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, hat er seinen Sohn gesandt, nicht damit er mit den Engeln oder in den Engeln sei, noch damit er mit den Menschen oder in den Menschen sei, sondern damit er selbst Fleisch, das heißt Mensch, werde. Als er daher Mensch geworden ist und als Mensch mit den Menschen verkehrte, ist er in diese Welt gesandt worden.
In diesem Geschehen wird deutlich, daß die Heilige Dreifaltigkeit hier zusammengewirkt hat. Denn der Vater hat den Sohn gesandt, der Gesandte hat den Menschen angezogen und der Heilige Geist hat die Jungfrau fruchtbar gemacht. Denn so hat der Engel zu ihr gesagt: Der Heilige Geist wird über dich kommen und die Kraft des Höchsten wir dich überschatten. Daher wird auch das Heilige, das aus dir geboren wird, Sohn Gottes genannt werden. (Lk 1,35) Daher bekennen wir, daß Jesus Christus vom Heiligen Geist und der Jungfrau Maria geboren wurde.

XV. FRAGE. Ich wundere mich, daß du gesagt hast, daß Jesus Christus vom Heiligen Geist und der Jungfrau Maria geboren wurde. Ich kann nicht umhin, ihn als Sohn des Heiligen Geistes zu bezeichnen, wenn er von ihm geboren wurde.
ANTW. Aus dem Vorangegangenen solltest du wissen, daß in dem einen Christus zwei Naturen bleiben, zum einen die göttliche von Gott Vater, durch die er Gott ist, zum anderen die menschliche vom Fleisch der Jungfrau, durch die er Mensch ist. Man sagt aber daher, daß er vom Heiligen Geist geboren ist, weil dessen Gnade, nicht die Begierde des Fleisches, die Jungfrau fruchtbar gemacht hat. Auch nicht, damit Christus aus ihm geboren wird, hat der Heilige Geist die Substanz in der Jungfrau gezeugt, sondern damit er aus dem Fleisch der Jungfrau geboren wird, hat er die Materie vorbereitet. Denn das männliche Zutun ist ausgeschlossen, damit allein der Dienst des Heiligen Geistes bleibt. Daher sagt der Engel zu Joseph: Denn was in ihr geboren wird, ist vom Heiligen Geist. (Mt 1,20) Weil Maria von ihm empfangen hat, ist sie sowohl Mutter geworden als auch Jungfrau geblieben.

XVI. FRAGE. Man liest oft, daß die alten Väter den Heiligen Geist hatten, und wir haben erkannt, daß er noch mehr an Maria gewirkt hat. Den aus ihrem Fleisch geborenen Sohn Gottes beten wir an. Aber was bedeutet das, was man andernorts liest: Der Heilige Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war. (Joh 7,39)
ANTW. Wir wissen gewiß, daß die Patriarchen und Propheten den Heiligen Geist hatten, durch den sie sich danach sehnten, den Tag des Herrn zu sehen und durch den sie auch viel über zukünftige Geheimnisse vorhersagen konnten. Von ihm wurde Johannes der Täufer im Schoß seiner Mutter erfüllt, durch ihn konnten Zacharias, die Witwe Anna und der greise Simeon so vieles über Christus sagen. Aber keine dieser Gaben oder Sendungen des Heiligen Geistes vorher war so wie jene, als er nach der Verherrlichung Christi an Pfingsten in seiner Fülle in Erscheinung trat: Es kam vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherkommt und erfüllte das ganze Haus in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten und sich auf jeden von ihnen niederließen. (Apg 2,2) Diese neue und wundersame Offenbarung des Heiligen Geistes hat es vorher nirgends gegeben. In dieser neuen Eigenschaft und eigentümlichen Neuartigkeit wurde der Heilige Geist noch nie gegeben, sondern dies ist geschehen, nachdem Christus verherrlicht war, er, aus dessen Fülle wir alles empfangen haben. (Joh 1,16) Aus dieser freilich wunderbaren Ausgießung des Heiligen Geistes heraus haben die Menschen in der Sprache aller Menschen gesprochen und dieser Klang war in der ganzen Welt. Dadurch wird angedeutet, daß die Völker aller Sprachen glauben werden, daß der Sohn Gottes die menschliche Natur ohne Sünde angenommen hat, so daß der Annehmende und das Angenommene eine Person wurden. Deshalb ist der, der dem Vater gleich ist in der Gottheit, geringer geworden als der Vater in der angenommenen Menschheit, er ist geringer geworden als er selbst, geringer auch als der Heilige Geist, und wie ein Psalm bezeugt, geringer selbst als der Engel. Denn so sagt er: Du hast ihn ein wenig unter die Engel erniedrigt. (Ps 8,6)
Ist es auch so, daß der Heilige Geist, wie es bisweilen sein muß, in körperhafter Gestalt für eine Zeit gesandt wird, so ist er dennoch nicht geboren worden, hat sich nicht irgendwann in etwas anderes verwandelt, hat sich nicht mit irgendeiner Sache der Person nach vereinigt oder sich auf sonst eine Art und Weise verwandelt. Deshalb ist er nicht geringer geworden und ist dennoch gesandt worden. Wenn wir daher lesen, daß von Gott der Sohn oder der Heilige Geist gesandt werden, so ist doch nur der Sohn geringer geworden als der Vater, der Heilige Geist jedoch ist nicht geringer geworden, obgleich beide gesandt worden sind. Denn das Geschaffene, in dessen Gestalt der Heilige Geist erschienen ist, wurde von ihm nicht so angenommen, wie der Mensch angenommen wurde, in dessen Gestalt der Sohn Gottes der Welt deutlich erschienen ist. Denn jene Taube, die über dem Herrn erschienen ist, oder jener Hauch, durch den der Herr den Geist eingehaucht hat, oder jenes Feuer, mit dem derselbe Geist die Jünger entzündet hat, haben sich nicht in der Einheit der Person mit dem Heiligen Geist vereint. Diese Dinge sind erschienen, indem die Schöpfung dem Schöpfer diente und sie wurden zeitlich angenommen, um den Heiligen Geist so deutlich zu machen und so zu zeigen, wie es den Sterblichen entspricht, daß ihnen das Ewige gezeigt und deutlich gemacht wird. Daher können wir nicht sagen, daß der Heilige Geist Gott und Taube wäre, oder Gott und Hauch oder Feuer, wie wir sagen, daß der Sohn Gottes Gott und Mensch ist. Denn jene Stimme des Vaters, die auf irdische Weise über dem Sohn ertönte oder jene körperhafte Gestalt einer Taube, in der sich ebenda der Heilige Geist gezeigt hat, sind plötzlich geworden und sie sind, nachdem das Geheimnis ihrer Hinweisung vollbracht war, sofort wieder dorthin zurückgekehrt, woher sie genommen wurden.
Dort bei der Taufe hat Jesus Christus den Heiligen Geist, den er als Gott gibt, als Mensch empfangen. Daher wird er voll der Gnade und des Heiligen Geistes genannt. Er ist aber damals, als der Heilige Geist wie eine Taube über ihm zu sehen war, nicht zum ersten Mal mit dem Heiligen Geist gesalbt worden. Denn wie er zwar ohne alle Sünde zur Taufe gegangen ist, so ist er doch nicht ohne den Heiligen Geist zur Taufe gegangen. Unsere Menschheit hat ihn damals ganz empfangen, als diese im Schoß der Jungfrau mit dem Wort Gottes vereinigt wurde. Denn als der Heilige Geist, durch den die Jungfrau dem Wort Gottes als fleischliche Substanz gedient hat, auf Maria herabkam, ist sogleich aller Makel der Erbsünde von ihr gewichen und sie ist von da an von den Versuchungen der Laster befreit geblieben. In vollkommener Unversehrtheit hat sie den Erlöser geboren. Daher wird sie auch verdientermaßen voll der Gnaden genannt. Sie hat in der Zeit den Sohn geboren, den Gott der Vater in Ewigkeit gezeugt hat.
Du darfst dich nicht wundern, wenn auf eben diesen Gottes- und Menschensohn auf vielfältige Weise hingewiesen wird, so durch den Baum des Lebens, der im Paradies stand, oder durch den Stein, auf dem Jakob geschlafen hat, oder durch Joseph, den die Brüder aus Neid verkauft haben, weil sie nicht wollten, daß er über sie herrscht, der aber, nachdem er von ihnen verkauft worden ist, über sie geherrscht hat, oder durch den Felsen, gegen den in der Wüste geschlagen wurde und aus dem daraufhin Wasser floß. Von diesem sagt der Apostel: Dieser Fels aber war Christus. (1Kor 10,1) Zu all diesen schon bestehenden Dingen trat eine gewisse deutende Handlung hinzu, durch die auf Christus hingewiesen werden sollte. Denn anders wurde Christus von Johannes dem Täufer als das Lamm Gottes bezeichnet, wenn er sagt: Seht das Lamm Gottes, (Joh 1,29) als vom Evangelisten, der in seiner Apokalypse das geschlachtete Lamm sah, das keiner von ihnen dem Körper nach gesehen hat, sondern dem Geist nach erkannt hat (vgl. Offb 5,21). Jene Taube aber, die über Christus erschienen ist, sahen die Anwesenden mit ihren eigenen Augen und jene Stimme, die über ihm ertönte, hörten sie mit ihren eigenen Ohren, genauso wie die Flamme, die sich dem Mose im Dornbusch zeigte und wie die Feuer- und Wolkensäule, die dem Volk Israel voranzog und wie das Feuer und der Donner über dem Berg Sinai bei der Übergabe des Gesetzes und so vieles ähnliche. Die körperliche Gestalt von all diesem ist erschienen, damit sie auf irgendetwas hinweist, und sie ist vergangen, nachdem ihre Aufgabe des Hinweisens erfüllt war. Dies alles wirkt untrennbar der Vater und der Sohn und der Heilige Geist, die allmächtige Dreifaltigkeit, der eine Gott. Denn in der Gottheit ist der Sohn nicht geringer als der Vater und der Heilige Geist unterscheidet sich darin nicht in irgendetwas von beiden. Denn denen eine Wesenheit zukommt, denen kommt die Allmacht ohne Unterschied zu.

XVII. FRAGE. Ich stimme dem ja zu, daß der Heilige Geist nicht geringer ist als der Vater und der Sohn. Wenn ich aber die Worte der Evangelien genau untersuche, so meine ich doch, daß er auf eine gewisse Weise unähnlich ist. Die Wahrheit sagt nämlich: Wer ein Wort gegen den Vater oder gegen den Sohn sagt, dem wird vergeben werden. Wer aber etwas gegen den Heiligen Geist sagt, dem wird nicht vergeben werden, weder in dieser, noch in der zukünftigen Welt. (Mt 12,32)
ANTW. Wer etwas gegen den Vater sagt oder wer gegen ihn sündigt, der sündigt in gleicher Weise gegen den Sohn und gegen den Heiligen Geist. Ebenso sündigt der, der gegen den Sohn sündigt, gleichsam gegen [den Vater und] den Heiligen Geist. Genauso sündigt der, der gegen den Heiligen Geist sündigt, auch gegen den Vater und den Sohn. Aber verstehe, daß die [Mutter] Kirche den Heiligen Geist empfangen hat, um die Sünden zu vergeben, wie der Herr im Evangelium zu den Jüngern sagt: Empfangt den Heiligen Geist. Denen ihr die Sünden vergebt, denen sind sie vergeben. (Joh 10,23) Das wird Petrus und durch Petrus der Kirche von Christus zugesagt: Alles was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein und alles was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein. (Mt 16,19) Dieses außerordentliche Urteil ist über den Stuhl Petri ergangen. Weil es das priesterliche Amt bezeichnet, meint die Kirche, daß das Fest dieses Stuhles verdientermaßen gefeiert werden muß. Denn diese Gewalt zu binden und zu lösen ist der Schlüssel sowohl des Petrus als auch aller, denen die Seelsorge obliegt. Bei denen, die durch den Heiligen Geist die Sünden vergeben können und den Reumütigen die himmlischen Reiche öffnen können, müssen daher die Sünder Zuflucht suchen. Da sie sich zwar, indem sie sündigten, binden konnten, sich aber nicht selbst lösen können, werden sie durch den Schlüssel Petri gelöst, damit sie für die katholische Kirche wiederhergestellt werden. Wer aber ungläubig oder gottlos ist und die Schlüssel der Kirche verachtet und wer dem widerspricht, daß durch jene, denen diese Schlüssel durch die Kirche anvertraut wurden, die Sünden vergeben werden können, der lästert und sündigt gegen den Heiligen Geist, den die Mutter Kirche empfangen hat, um den ihr Unterstellten die Sünden zu vergeben. Daher heißt es zu recht: Wer sündigt gegen den Vater oder gegen den Sohn – von denen wir wegen der Gleichheit des Wesens nicht den Heiligen Geist trennen können – dem wird vergeben, selbstverständlich dann, wenn er bei der Kirche Gottes Zuflucht sucht, die im Heiligen Geist die Sünden vergibt. Wenn er aber das Geschenk des Heiligen Geistes, das die Mutter Kirche zur Lossprechung empfangen hat, verachtet, bleibt er als ein zu Verdammender in seinen Sünden. Daher folgt zurecht: Wer aber gegen den Heiligen Geist sündigt, dem wird nicht vergeben, weder in dieser Welt noch in der zukünftigen.
Hier empfangen wir den Heiligen Geist, [freilich nicht seinem Wesen nach, vielmehr] jenes unaussprechliche Geschenk dieses Heiligen Geistes, durch das die Kirche die Sünde löst. Es ziemt sich auch, daß du weißt, daß dieses Geschenk, so wie es das des Heiligen Geistes ist, gleichsam auch das des Vaters und des Sohnes ist. Denn das untrennbare Wirken der Dreifaltigkeit läßt der Kirche dieses Geschenk zukommen durch die Person des Heiligen Geistes, der vom Vater und vom Sohn ausgeht, der Gott ist und Gabe Gottes. Deshalb bewirkt der Heilige Geist, ein Gott zusammen mit dem Vater und dem Sohn, daß die Kirche die Sünde vergibt. Dieses Geschenk des Heiligen Geistes hat jener erste Brudermörder verschmäht, der da sagte: Meine Schuld ist zu groß als daß ich Vergebung dafür verdiente. (Gen 4,13) Er hat gleichsam gesagt: Es gibt niemand, der sie verzeihen könnte. Er hat in seinem Handel mit dem Herrn zwar seine Schuld bekannt, aber nicht um Verzeihung gebeten. Er hat zugleich den Heiligen Geist verachtet, indem er, obgleich er reumütig gewesen ist, nicht bei der Gnade Zuflucht gesucht hat, sondern seine Schuld durch weitere Schuld vergrößert hat und, um sich selbst zu töten, sich am Strick erhängt hat.
Wir können auch sagen, daß gegen den Heiligen Geist sündigen dasselbe ist, wie sich gegen die Liebe zu verfehlen. Denn wer sich gegen die Liebe verfehlt, kann, wie reumütig er auch immer sein mag, ohne die Liebe nicht losgesprochen werden. Denn wo die Liebe nicht ist, ist folglich auch keine wahre Reue. Wir lesen, daß über die Liebe geschrieben steht: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat. (Lk 7,47) Die Liebe macht die Kirche gewiß fruchtbar, sie zeugt Söhne zum Leben, sie stellt in den Büßenden die Gnade wieder her und führt sie zum Leben durch Jesus Christus unseren Herrn und Gott, der mit dem Vater lebt und herrscht in alle Ewigkeit. Amen.