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Das Evangelium nach Matthäus

1,1 Überschrift

Urkunde des Ursprungs Jesu Christi, Sohnes Davids, Sohnes Abrahams.

Die Einheitsübersetzung übersetzt Mt 1,1 mit „Stammbaum Jesu Christi“. Demnach würde dieser Vers allein als Überschrift für den nun folgenden Stammbaum Jesu Christi dienen. Wie die anderen Evangelien, so hat aber auch Matthäus den ersten Vers als programmatische Überschrift über das ganze Buch gestellt.

Vielleicht übersehen wir diese Funktion des ersten Verses der Evangelien deshalb so leicht, weil wir gewohnt sind, z.B. „Evangelium nach Matthäus“ als Überschrift zu sehen. Diese Überschriften sind aber nicht ursprünglich, sondern erst in späterer Zeit entstanden.

Wenn Matthäus sein Evangelium mit „Urkunde des Ursprungs Jesu Christi, Sohnes Davids, Sohnes Abrahams“ überschreibt, so will er Jesus Christus ganz klar einfügen in die Verheißungsgeschichte des Volkes Israel. Immer wieder werden im Evangelium sogenannte Erfüllungszitate auftreten, die deutlich machen, dass Jesus Christus der Messias Gottes ist.

1,2-17 Stammbaum Jesu Christi

Für den frommen Juden ist die Herkunft besonders wichtig. Aus welchem Stamm, aus welcher Sippe kommst du? Auch in unserer Gesellschaft kennen wir ja noch die Bedeutung gewisser Familien auf lokaler und auf Landesebene.

Der Verheißung nach soll der Messias geboren werden im Stamm Juda. Schon im Jakobssegen kommt diesem Stamm eine besondere Bedeutung zu. Später wird er dann der Stamm, dem die Könige entspringen. David als der König des Volkes Israel schlechthin ist es, der auf dem Messias verweist. Deshalb hat Matthäus in seiner Überschrift Jesus Christus schon ganz klar als Nachkommen Davids deklariert.

König David dient auch als klares Gliederungsmerkmal des Stammbaumes Jesu Christi. Mit ihm endet die erste Reihe der drei Mal vierzehn Generationen. Das vierzehnte Glied zeigt immer ein besonderes Wirken Gottes. In der ersten Reihe ist es David, in der zweiten das Ende der Babylonischen Gefangenschaft und in der dritten ist es Jesus Christus.

Schon die Zahl vierzehn enthält den Namen David. Die hebräischen Buchstaben haben Zahlwerte und diese werden genutzt für eine umfangreiche Zahlensymbolik. David besteht aus den hebräischen Konsonanten d (=4), v (=6) und d. Diese ergeben als Zahlen addiert den Wert 14.

Der Stammbaum beginnt mit Abraham, der auch schon in der Überschrift erwähnt wurde. Abraham ist der Vater des Glaubens. Durch seine Erwähnung wird die Zahl derer, denen der Messias verheißen ist, vom Volk Israel geweitet hin zu allen Menschen, die Gottes Verheißung gläubig annehmen.

Es wurde in der Exegese häufig kritisiert, dass Matthäus eigenmächtig in die Genealogie eingreift, um auf sein Schema von drei Mal vierzehn Generationen zu kommen. Wie schon angedeutet hat dieses Schema auch mehr eine theologische Funktion, als die genaue Genealogie wiederzugeben. Bewusst lässt Matthäus in der zweiten Reihe einige Könige aus. Diese sind wegen ihres Unglaubens es nicht wert, in die Verheißungslinie des Messias eingegliedert zu werden.

Der Stammbaum ist aufgebaut nach dem Schema A zeugte B. Dieses Schema wird an manchen Stellen durchbrochen. Vor allem werden mit Tamar, Rahab, Rut und der Frau des Urija drei Frauen genannt, denen in der Geschichte des Volkes Israel eine besondere Funktion zukommt. Sie sind wesentliche Glieder im Stammbaum des Volkes Israel, obwohl sie selbst keine israelitischen Frauen waren. Somit macht Matthäus schon im Stammbaum deutlich, dass die Geschichte Israels schon immer offen war für Heiden. Das neue Volk Gottes aus Juden und Heiden, das durch Jesus Christus entsteht, ist ein besonderer Aspekt des Evangelisten Matthäus.

Dass es sich mit der Geburt Jesus Christi anderes verhält, als es sonst bei Menschen üblich ist, mach Matthäus schon im Stammbaum deutlich. Josef, der Mann Mariens, ist das zwölfte Glied der dritten Reihe. Hier wird das gewohnte Schema A zeugte B am deutlichsten durchbrochen. Damit wird klar, dass Josef nicht der ist, der Jesus gezeugt hat. Zwischen ihm und dem vierzehnten Glied, Jesus, steht klar das Wirken Gottes. Dies kommt klar im theologischen Passiv, dem Passivum Divinum zum Ausdruck, wenn es heißt: Jakob aber zeugte den Josef, den Mann Marias, aus der gezeugt wurde Jesus, der Christus heißt. Gott also wirkt die Zeugung Jesu Christi aus Maria. Wie es sich damit genau verhält, erläutert Matthäus in den folgenden Versen seines Evangeliums.

1, 18-25 Die Geburt Jesu Christi

2,1-12 Die Sterndeuter

Heute führte der Stern die Weisen zum Kind in der Krippe, so beten wir am Hochfest der erscheinung des Herrn im Abendgebet der Kirche. Heute, immer wieder Heute, in jedem Jahr.

Ja, so war es heute vor etwa 2000 Jahren. Lange her und zudem: eine schöne Geschichte, keiner glaubt doch heute mehr daran, dass das wirklich geschehen ist. Das hat sich doch der Evangelist Matthäus, von dem wir ja auch nicht wissen, ob es ihn wirklich gegeben hat, nur ausgedacht. Symbolisch ist das gemeint. Freilich, er wollte uns kein Märchen erzählen, sonst hätte er vielleicht geschrieben, dass diese Leute da mit einem Drachen angeflogen kamen und dann flugs weiter nach Köln geflogen sind, wo sie ja bekanntlich begraben sind. Aber Spaß beiseite. Ich glaube schon, dass es einen Evangelisten namens Matthäus gegeben hat und dass da vielleicht doch bei der Geburt Jesu irgend etwas geschehen ist, was so etwas wie der Besuch dieser Magier aus dem Osten gewesen ist.

Egal, ob wir an ihre geschichtliche Existenz glauben oder sie nur als ein Symbol ansehen, diese Magier aus dem Osten haben auch heute für uns eine Bedeutung. Wenn man sich heute in einem Büchergeschäft so umsieht, findet man viele Büchlein, die sich damit beschäftigen, wie der Mensch Sinn finden kann. Wenn Menschen heute überhaupt noch über ihr Leben nachdenken, dann tun sie dies meist unter dem Aspekt, wie sie sich selbst verwirklichen können, wie sie ihrem Leben einen Sinn geben können. Lebe deinen Traum. Finde deine Bestimmung und lebe sie. Das sind Schlagworte, die Menschen heute ansprechen. Früher hätten vielleicht viele gefragt: Wie kann ich das Heil finden? Wie erlange ich die Vergebung der Sünden? Wie finde ich einen gnädigen Gott?

Heute, in einer Zeit, in der es Sünde nicht mehr geben darf, fragt der Mensch eben nach dem Sinn seines, und bewußt seines eigenen Lebens. Dieser Sinn, davon geht man aus, ist für jeden Menschen ein anderer, weshalb auch jede Weltanschauung, solange sie sich an allgemein menschliche Regeln hält, als gleichwertig angesehen wird. Wir brauchen nicht darüber zu jammern, es gilt vielmehr, diese Entwicklung zu akzeptieren und vor allem, den Menschen mit neuen Antworten aus unserem alten Glauben auf ihrer Suche nach dem Sinn zu helfen. Denn wenn einer dem Leben des Menschen Sinn geben kann, dann ist das Jesus Christus.

Genau dies haben die Magier aus dem Osten erkannt. Ihre Aufgabe war es, die Sterne zu deuten, und sie haben dies in hervorragender Weise getan. Sie haben ihre Bestimmung gefunden und sie gelebt. Daher haben sie auch den Sinn gefunden, der hinter des Sternen für ihr Leben bereitlag. Sie gingen so in ihrer Bestimmung auf, dass sie alles, was sie daran hinderte, diese zu leben, verlassen haben und einzig dem Stern gefolgt sind, ohne genau zu wissen, wohin er sie führen wird. Sie haben einen Umweg gemacht, über den Königspalast des Herodes. Woher konnten sie wissen, dass der neue König nicht im Herrscherpalast der Hauptstadt, sondern im letzten Dorf des Landes in einer einfachen Krippe geboren wurde. Aber sie waren bereit zu lernen, haben ihre eigenen Vorstellungen revidiert und waren so bereit, sich auf etwas ganz Neues einzulassen – eine Eigenschaft, auf die es auch heute ankommt.

Viele Menschen, vielleicht mehr als wir gemeinhin glauben, machen sich heute auf den Weg, um den Sinn ihres Lebens zu finden. Nicht alle gehen dabei so professionell vor, wie die Magier damals. Manche lassen sich vor Irrlichtern verführen oder bleiben bei den Bildern ihrer eigenen Vorstellung hängen. Es liegt an uns Christen, ob wir diesen Menschen helfen, den richtigen Weg zu finden. Es liegt an uns, ob wir fähig sind, ihnen den zu zeigen, der Weg, Wahrheit und Leben ist und der dem Leben Sinn geben kann, Jesus Christus.

Doch auch Gott tut das Seine. Er hat dem Menschen die Antriebe und Fähigkeiten gegeben, den Sinn seines Lebens zu suchen und zu finden. Wie die Weisen die Stere vor Augen hatten und in sich die Fähigkeit, diese zu deuten, so hat jeder Mensch in sich die Fähigkeit, die Zeichen der Zeit zu deuten und sich aufzumachen auf seinen Weg. Es kommt nur darauf an, bereit zu sein zum Aufbruch und diesen zu wagen, wenn es an der Zeit ist. So kommen auch heute, auch an diesem 6. Januar 2009, viele Menschen hin zu Jesus Christus, der ihnen den Sinn ihres Lebens schenkt.

2,13-15 Die Flucht nach Ägypten

Beim Fest der unschuldigen Kinder sehen wir das Morden der Soldaten des Herodes vor uns. Die Kinder Betlehems mußten sterben, weil die Weisen aus dem Morgenland Herodes getäuscht und ihn nicht zu Jesus geführt haben. Nun läßt er in seiner Wut alle Kinder in Jesu Alter töten – doch Jesus ist mit seiner Familie in Sicherheit in Ägypten.

Wir fragen uns: Warum? Warum müssen Unschuldige sterben? Warum hat Gott das nicht verhütet? Warum hat er nur Jesus gerettet und nicht alle anderen? Die Frage über allem: Warum gibt es das Leid? Die letzte Antwort werden wir nicht finden. Hier können wir nur sagen, dass die Freiheit, die Gott den Menschen gegeben hat, auch das grausame Wüten eines Tyrannen gewähren lassen muß.

Blicken wir auf die Heilige Familie, so erweisen sich die schönen Bilder beim zweiten Hinsehen doch auch als Bilder des Leids. Die Geburt Jesu im Stall war trotz Engel und Hirten eine sehr ungemütliche Angelegenheit. Die Flucht nach Ägypten hat Jesus zwar vor dem Tod durch Herodes bewahrt, war aber mit Sicherheit sehr mühsam. Wer würde heute mit einem Säugling zu Fuß mehrere Tage in unwirtlichem Gelände unterwegs sein? Heute im Evangelium hören wir aus dem Mund des greisen Simeon die Weissagung an Maria, dass ihr ein Schwert durch die Seele dringen wird. Der Schmerz der Mutter, die so vorbehaltlos Ja zu Gott gesagt hat über das Nein vieler Menschen zu Gott und Jesus Christus, Gottes und Marien Sohn. Und zuletzt werden sicher viele den Schmerz der Eltern Jesu mitfühlen können, als auf der Wallfahrt nach Jerusalem ihr zwölfjähriger Sohn plötzlich verschwunden war.

Die Heilige Familie hat es also von Anfang an nicht leicht gehabt. Lassen wir uns nicht täuschen von all den rührseligen Weihnachtsbildern. Gott war bereit, sich durch die Menschwerdung auch mitten in das Leid der Menschen hinein zu begeben, nicht erst am Karfreitag, sondern schon vom ersten Tag seines Lebens an.

2,16-18 Der Kindermord in Betlehem

2,19-23 Der Einzug in das Land Israel

3,1-12 Johannes der Täufer

3,13-17 Taufe des Herrn 

Jesus kommt zu Johannes an den Jordan, um sich von ihm Taufen zu lassen. Als Johannes das erst nicht zulassen will, sagt Jesus zu ihm: „Lass es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit (die Gott fordert) ganz erfüllen.“

Die Gerechtigkeit, von der Jesus spricht, meint das, was recht ist vor Gott. Gott will in seiner Gerechtigkeit, dass auch der Mensch recht ist vor Gott. Im Alten Testament heißt es von guten Menschen oft, dass sie gerecht und gerade sind.

Es ist Aufgabe des Menschen, gerecht vor Gott zu leben, aber mehr noch ist diese Gerechtigkeit Geschenk Gottes. Gott macht den Menschen gerecht durch das Leben, Sterben und Auferstehen seines Sohnes für uns.

Der einzelne Mensch erhält Anteil an dieser Gerechtigkeit Gottes durch die Taufe. Jesus als der in seinem ganzen Wesen gerechte Sohn Gottes bedarf der Taufe nicht. Aber indem er sich von Johannes im Jordan taufen lässt, zeigt er, dass er alles, was er tut, für uns tut, um uns Gottes Heil und Gerechtigkeit zu schenken.

4,1-11 Die Versuchung Jesu

4,12-16 Das heidnische Galiläa

Als er aber hörte, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging er nach Galiläa.

Fast beiläufig nennt Matthäus hier ein gravierendes Ereignis: Johannes wurde ins Gefängnis geworfen (wörtlich: übergeben). Was dann weiter mit Johannes dem Täufer geschieht, erfährt der Leser in 14,1-12, wo von der Hinrichtung des Täufers durch Herodes berichtet wird.

Er verließ Nazaret, um in Kafarnaum zu wohnen, das am See liegt, im Gebiet von Sebulon und Naftali, damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja gesagt worden war:

Das Land Sebulon und das Land Naftali, die Straße am Meer, das Gebiet jenseits des Jordan, das heidnische Galiläa: das Volk, das im Dunkel lebte, hat ein helles Licht gesehen; denen, die im Schattenreich des Todes wohnten, ist ein Licht erschienen.

Jesus zieht um, und zwar von Nazaret nach Kafarnaum, das bei Matthäus das Zentrum des Wirkens Jesu wird. Jesu Wirken beginnt nicht in Jerusalem, sondern weit weg davon, in einen Teil des Landes, der bei frommen Juden eher verrufen ist. Galiläa ist ein Gebiet, in dem die Juden und Heiden zusammenleben. Aber genau in diesem für jüdische Vorstellungen finsteren Gebiet, strahlt zuerst das Licht der Verkündigung Gottes auf. So erfüllt sich die Weissagung aus Jesaja 9,1f.

Matthäus will damit deutlich machen, dass sich schon beim ersten Auftreten Jesu ankündigt, was nach seiner Auferstehung Wirklichkeit wird: das neue Volk Gottes, das Jesus zusammenruft, besteht aus Juden und Heiden. Für viele fromme Juden wird das zum Stein des Anstoßes. Sie setzen ihre Vorurteile über die Pläne Gottes.

Jesus aber beginnt, sein neues Volk zu bauen. Seine Verkündigung macht deutlich: Das Himmelreich ist da, es wird jetzt Wirklichkeit auf Erden in diesem neuen Volk Gottes. Den ersten Kern bilden die Jünger, die Jesus beruft.

4,17 Jesu erste Verkündigung

Von da an begann Jesus zu verkündigen und zu sagen: Kehrt um, denn die Herrschaft der Himmel ist angekommen/ist da.

Das „von da an“ in Vers 17 bildet eine deutliche Zäsur. Hat Matthäus bisher dargelegt, wer es ist, der verkündigt, indem er Jesus Christus als den Sohn Gottes in seiner Geburt und seinem Sieg über die Versuchung dargestellt hat, so wird im Folgenden davon berichtet, was Jesus verkündigt. Eine weitere Zäsur wird in 16,21 sein. Dort kündigt Jesus den Jüngern zum ersten Mal seinen Tod uns seine Auferstehung an, auf die dann alles hinläuft.

Die Verkündigung Jesu fasst Matthäus in dem Satz zusammen: Kehrt um, denn die Herrschaft der Himmel ist da. Gottes Reich (Himmel ist eine Umschreibung für Gott) ist auf Erden gegenwärtig, weil Gottes Sohn auf die Erde gekommen ist. Fortan wird nichts mehr so sein, wie es vorher war. Gott macht alles neu. Die Antwort des Menschen auf die Ankunft Gottes in der Welt ist die Umkehr. Dadurch zeigt der Mensch, dass es bereit ist, das Neue, das Gott wirkt, anzunehmen und an sich geschehen zu lassen und den Willen Gottes in die Tat umzusetzen.

4,18-22 Die ersten Jünger Jesu

Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen ihre Netze in den See, denn sie waren Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm. Als er weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes; sie waren mit ihrem Vater Zebedäus im Boot und richteten ihre Netze her. Er rief sie, und sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten Jesus.

Bei Kafarnaum, am See von Galiläa, dem See Gennesaret, beruft Jesus seine ersten Jünger. Der Ruf Jesu ergeht an jeden einzelnen ganz persönlich. So wird deutlich, dass jeder seinen ganz persönlichen Weg der Nachfolge hat. In der Jüngerberufung zeigt sich Jesus als der Sohn Gottes, denn er beruft seine Jünger, wie Gott selbst im Alten Testament die Propheten berufen hat. „Kommt her, folgt mir nach!“ Sagt er zu ihnen. Sie lassen alles zurück und folgen Jesus.

4,23-25 Die Wirkung des ersten Auftretens Jesu

Er zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden. Und sein Ruf verbreitete sich in ganz Syrien. Man brachte Kranke mit den verschiedensten Gebrechen und Leiden zu ihm, Besessene, Mondsüchtige und Gelähmte, und er heilte sie alle. Scharen von Menschen aus Galiläa, der Dekapolis, aus Jerusalem und Judäa und aus dem Gebiet jenseits des Jordan folgten ihm.

So fasst Matthäus das Auftreten Jesu zusammen. Jesus lehrt und heilt und viele sind es, die ihm folgen. Als Jesus dieser Menge gewahr wird, hält er inne und steigt auf einen Berg. Dort macht er in einer langen Rede den Menschen deutlich, worauf sie sich einlassen, wenn sie ihm folgen.

5,1-7,29 Die Rede auf dem Berg

5,1.2 Einführung

Als er aber die Volksscharen sah, stieg er hinauf auf den Berg;

Die Volksscharen und das Bild vom Hinaufsteigen auf den Berg lassen den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten anklingen. Damals stieg Mose auf den Berg Sinai, um mit Gott zu reden, und er brachte vom Berg die Tafeln mit den Zehn Geboten für das Volk mit.

Jesus zeigt sich als der neue Mose, der seinem Volk die Weisung Gottes lehrt. Seine Lehre widerspricht nicht der Weisung Gottes, die Mose damals dem Volk gebracht hat. Vielmehr wird sie von Jesus präzisiert und ihr wahrer Gehalt wieder herausgestellt.

und als er sich gesetzt hatte, traten seine Jünger zu ihm.

Wie es sich für einen antiken Lehrer geziemt, setzt Jesus sich, während die Zuhörer stehend seinen Worten lauschen.

Mose durfte damals nur Aaron mit auf den Berg nehmen, das Volk musste in sicherer Distanz dem Berg fern bleiben. Auch hier wird zwischen den Jüngern Jesu und der Volksmenge unterschieden. Die Jünger treten nahe an Jesus heran, während die Volksmenge in einer gewissen Distanz bleibt. Aber doch können alle die Worte Jesu hören.

Gott ist für die Menschen nicht mehr verborgen, wie zu den Zeiten des Mose, sondern mitten unter den Menschen. Gott kommt zu den Menschen, und die Menschen dürfen Gott nahe sein. Sie dürfen selbst hören, was Gott zu ihnen spricht.

Ein zentrales Anliegen Jesu ist die Gerechtigkeit. Schon bei der Taufe hat Jesus zu Johannes gesagt. „Wir müssen die ganze Gerechtigkeit erfüllen.“ (Mt 3,15) Das Verhalten, das Jesus in den Seligpreisungen und der gesamten Bergpredigt aufzeigt, ist das eines gerechten Menschen. Schon im Alten Bund war es das Ziel eines Menschen, gerecht und gerade zu sein. Wer so lebt, wie Jesus es voraussetzt, ist ein solcher Mensch.

Er öffnete seinen Mund, lehre sie und sprach:

Die seit dem 16. Jahrhundert gebräuchliche Bezeichnung Bergpredigt kann leicht zu der Vorstellung verleiten, dass die Zuhörer Jesu still und andächtig seinen Worten gelauscht haben. Das wäre aber ein für orientalische Menschen eher untypisches Verhalten. Matthäus beendet die Schilderung der Rede Jesu in 7,28 mit dem Hinweis, dass die Zuhörer über die Worte Jesu entsetzt waren. Sicher haben die Worte Jesu schon während des gesamten Verlaufes der Rede Erstaunen und auch Widerspruch hervorgerufen und wir gehen sicher nicht fehl, wenn wir uns vorstellen, dass die Zuhörer dies schon während der Rede zum Ausdruck brachten.

Mehr als eine Predigt ist die Rede Jesu also ein lebendiger Dialog mit seinen Zuhörern. Wir dürfen uns zwischen den einzelnen Abschnitten immer wieder die Einwände und Zurufe der Menschen um Jesus herum vorstellen. Wir dürfen auch selbst unser Entsetzen und unseren Widerspruch gegen die Worte Jesu vorbringen, denn wer die Bergpredigt nur mit einem kurzen Nicken zur Kenntnis nimmt, hat wohl keines der Worte Jesu verstanden. Es sind Worte, an denen wir uns unser ganzes Leben lang reiben und immer wieder neu orientieren müssen, die immer wieder eine Anfrage an unser Leben stellen und uns immer neu zu einer Kurskorrektur aufrufen. Nur in der lebendigen Auseinandersetzung mit den Worten Jesu werden wir auch dem Ziel näher kommen, so zu leben, wie Jesus es von uns erwartet.

5,3-12 Die Seligpreisungen

Schon die ersten Worte der Rede Jesu haben eine gewaltige Sprengkraft. Die Menschen, die Jesus selig preist, sind nicht diejenigen, die Macht und Einfluss haben und bereit sind, ihre Macht mit Gewalt durchzusetzen. Es sind auch nicht diejenigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit und Frömmigkeit überzeugt sind. Selig sind vielmehr diejenigen, die sich von Gott beschenken lassen, die Gottes Gerechtigkeit suchen und bereit sind, Barmherzigkeit zu üben, auch wenn die dafür selbst Schmähungen und Verfolgungen ausgesetzt werden.

Die Eigenschaften, die Jesus in den Seligpreisungen nennt, werden nicht weiter hinterfragt. Sie sind auch nicht wie die Zehn Gebote negativ oder auffordernd formuliert. Das in den Seligpreisungen geschilderte Verhalten setzt Jesus vielmehr fraglos für seine Jünger voraus, als eine selbstverständliche Wesenseinstellung des gläubigen Menschen.

Selig sind … Neun Mal gebraucht Jesus diese Formulierung. Wenn wir genau hinsehen, fällt auf, dass die erste und die achte Seligpreisung mit der Verheißung enden: denn ihnen gehört das Himmelreich. Die neunte unterscheidet sich stilistisch von den übrigen, hier heißt es nicht „Selig sind …“ sondern „Selig seid ihr …“. Dies lässt vermuten, dass hier ein ursprüngliches Achter-Schema vom Evangelisten erweitert wurde.

Die neunte Seligpreisung ist deutlich länger und hat einen zweiten Abschnitt, der mit den Worten beginnt „Seid fröhlich und getrost …“. Wenn man diesen zweiten Abschnitt als eigene Seligpreisung sieht, kommt man auf zehn Seligpreisungen, was eine deutliche Parallele zu den Zehn Geboten darstellen würde. Ähnlich wie Mose in der Thora die Zehn Gebote den übrigen Gesetzen voranstellt, bilden für Jesus die Seligpreisungen den Auftakt zu seiner Lehre.

5,3 Selig die Armen im Geist, denn ihnen gehört das Himmelreich.

Wer sind die Armen im Geiste, von denen Matthäus spricht? Bei Lukas heißt es ganz konkret: „Selig die Armen.“ Matthäus geht es aber nicht so sehr um die materielle Armut, sondern man erkennt hier wie auch in anderen Seligpreisungen, dass er aus den Notfällen bereits Tugenden macht.

Im griechischen Urtext steht für Geist Pneuma, das meint oft die göttliche Kraft. Daher kann man unter den geistlich Armen die verstehen, die Gottes Kraft nicht mehr erfahren, die in Gottferne leben. Gerade auch diesen Menschen, die von den Frommen oft wenig beachtet werden, wendet sich Gott in besonderer Weise zu. Er gibt ihnen eine neue Möglichkeit, sich als von Gott Geliebte zu erfahren.

Gott knüpft seine Zuwendung nicht an Vorbedingungen und wir können uns Gottes Kraft nicht selbst nehmen. Sie bleibt ein Geschenk, das Gott bereit ist allen zu geben, die sich öffnen für sein Wirken. Alle Menschen dürfen zu Gott kommen. Gott wird alle mit seiner Kraft beschenken, die darum wissen, dass sie dieses Geschenk nötig haben. Sie alle haben Teil am Himmelreich.

Das Himmelreich, von dem Jesus spricht, ist keine Vertröstung auf eine jenseitige Welt. Bereits in 4,17 hat Jesus gesagt: „Kehrt um, denn das Himmelreich ist da.“ Mit dem Auftreten Jesu ist es im hier und jetzt – wenn auch noch verborgen – gegenwärtig. Es wird sichtbar in den Menschen, die Jesu Worte mit ihrem Leben in die Tat umsetzen.

5,4 Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.

Trauer und Leid kann vielfältige Formen haben. Es kann die Trauer um den Verlust eines lieben Menschen bedeuten. Menschen leiden aber oft auch an den konkreten Verhältnissen, in denen sie leben. Unter den Zuhörern Jesu waren sicher viele, die kaum das Nötigste zum Leben hatten und Unterdrückung und Ausbeutung am eigenen Leib erfahren mussten.

Sie alle dürfen darauf hoffen, dass es jemanden gibt, der sie ernst nimmt mit ihren Sorgen und Nöten und sie nicht mit leeren Worten vertröstet. Auch wenn es oft nicht so scheint, ist doch in jeder Lage ein Ausweg möglich. Gottes Zusage gibt Hoffnung und macht Mut, einen neuen Anfang zu wagen.

5,5 Selig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land besitzen.

Mit Sanftmut meint Jesus sicher kein Duckmäusertum. Nach dem griechischen Urtext könnte man die Sanftmütigen auch mit „die Stillgemachten“ übersetzen, dann sind es Menschen, die von anderen zum Stillhalten gezwungen werden. Wenn wir die Verheißung im Blick haben, dass diese das Land erben werden, so kann man in dieser Seligpreisung eine soziale Sprengkraft entdecken. Gerade die Ausgebeuteten und Entrechteten werden wieder ihr eigenes Land bekommen.

Im Alten Testament wird dem Volk Israel das gelobte Land von Gott als Eigentum verheißen. Das ist den Anhängern Jesu, die ja aus allen Völkern kommen werden, nicht mehr genug. Jesus verheißt ihnen die ganze Welt als Eigentum. 

Wir können uns vorstellen, wie die Zuhörer Jesu gesagt haben: das kann doch nicht sein. Wenn wir nicht kämpfen, sondern sanftmütig sind, wie sollen wir dann zu unserem Recht kommen? Wenn wir nicht so fromm werden wie die Gesetzeslehrer es uns beibringen, wie sollen wir dann je in das Reich Gottes kommen? Jesus weiß es besser. Er wollte den Menschen damals und will auch uns heute Mut machen, zu uns selbst zu stehen, bewusst zu leben und so die Erfüllung unseres Lebens zu finden.

5,6 Selig die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden satt werden. 

Gerechtigkeit haben wir nötig wie das tägliche Brot. Wer täglich unter Ungerechtigkeiten leiden muss, der verkümmert wie einer, der nichts zu Essen und zu Trinken hat. Gerechtigkeit gibt dem andern, was recht ist und zwar dauerhaft und unverlierbar.

Der Hunger nach Gerechtigkeit kann ganz konkret sein. In einem Gebet aus Lateinamerika heißt es:

Gott, wir danken Dir für Brot.
Und bitten dich um Brot für die, die hungern müssen.
Und bitten dich um Hunger nach Gerechtigkeit für die, die Brot haben.
Gott, wir danken Dir für Brot. Amen.

5,7 Selig die Barmherzigen, denn die werden Barmherzigkeit erlangen.

Barmherzigkeit sieht, was ein Mensch in einer konkreten Notlage braucht. Ein Beispiel für Barmherzigkeit ist das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Geh und handle genauso! Das sagt Jesus einem jeden von uns. Es ist oft schwer, dazu bereit zu sein, seine Pläne zu unterbrechen für einen Menschen, der unsere Hilfe braucht. Wir müssen es immer wieder lernen, jeden Tag neu. Doch auch wir selbst dürfen dann hoffen, dass es einen Menschen gibt, der sich uns zuwendet, wenn wir einmal Hilfe brauchen.

5,8 Selig die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.

Ein reines Herz ist ein Herz, das sich nicht vom Bösen gefangen nehmen lässt. Ein solcher Mensch wird anderen ohne Hinterlist begegnen und nicht versuchen, andere für seinen eigenen Vorteil auszunutzen. Wer ein reines Herz hat, wird Gott darin den ersten Platz geben und stets nach seinem Willen fragen. Er wird sein Leben lang immer mehr in der Beziehung mit Gott wachsen. Am Ende des Lebens wird er die größte Seligkeit erlangen, die wir uns denken können, ewig bei Gott zu sein und ihn in seiner Herrlichkeit zu schauen.

5,9 Selig die Friedfertigen, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.

Wer nach Gottes Willen lebt, versucht seine Pläne nicht mit Gewalt durchzusetzen. Er wird anderen Menschen mit dem nötigen Respekt begegnen, auch wenn sie anderer Ansicht sind als er selbst. Auch Menschen unterschiedlichen Glaubens können in Frieden miteinander leben, wenn Menschen die nötige Achtung vor den Überzeugungen des Anderen haben.

Papst Johannes Paul II. hat einmal gesagt:

Gewalt ist eine Lüge, denn sie richtet sich gegen die Wahrheit unseres Glaubens, die Wahrheit unseres Menschseins. Gewalt zerstört, was sie vorgibt zu verteidigen: die Würde, das Leben, die Freiheit der Menschen. Gewalt ist ein Verbrechen gegen die Menschheit, denn sie zerstört den Kern der Gesellschaft.

Euch allen, die es hören, sage ich: Glaubt nicht an die Gewalt; unterstützt keine Gewalt. Der Weg der Gewalt ist nicht der christliche Weg; er ist nicht der Weg der katholischen Kirche. Glaubt an Frieden, Vergebung und Liebe, denn sie gründen in Christus.

5,10-12 Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihnen gehört das Himmelreich.

Die gläubigsten Menschen, die Christus nachfolgten, waren Friedensstifter. Sie gingen soweit, ihren Feinden zu vergeben und manchmal sogar, ihr Leben für sie zu geben.

Diese Worte von Papst Johannes Paul II. machen deutlich, dass der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit bis an die Substanz gehen kann, einem selbst das Leben kosten kann. Noch drastischer formuliert dies Erzbischof Oscar Romero aus Lateinamerika:

Christus lädt uns ein, Verfolgung nicht zu fürchten. Denn, glaubt mir, Brüder und Schwestern, wer sich auf die Seite der Armen begibt, muss das gleiche Schicksal ertragen wie die Armen, und wir in El Salvador wissen, was das Schicksal der Armen wirklich bedeutet: zu verschwinden, gefoltert zu werden, inhaftiert zu werden und tot aufgefunden zu werden.

Die achte Seligpreisung schließt mit derselben Verheißung wie die erste, in der die Armen, die Menschen, die unter Ungerechtigkeit leiden müssen, selig gepriesen werden. Wer sich wirklich um Gerechtigkeit bemüht, der steht ganz auf der Seite dieser Menschen und ist bereit, für seinen Einsatz dasselbe Schicksal zu erleiden wir sie. Dafür wird ihm auch derselbe Lohn zuteil, den Jesus den Armen und Entrechteten verheißt, schon hier auf Erden teilzuhaben am Reich Gottes, das verborgen gegenwärtig ist.

Als Matthäus sein Evangelium schreibt, sind bereits die ersten Verfolgungen über die Christen hereingebrochen. Die Verfolgten sollen wissen, dass dies kein Zeichen dafür ist, dass der Glaube machtlos wäre. Sie sollen vielmehr froh und zuversichtlich sein und darum wissen, dass sie reicher Lohn erwartet. Die achte Seligpreisung wird durch zwei weitere Sätze präzisiert, was den Worten Jesu eine besondere Bedeutung verleiht und den Menschen Mut machen soll, die Verfolgungen zu bestehen und nicht schwach zu werden.

Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt.

5,13 Ihr seid das Salz der Erde

Jesus hat in den Seligpreisungen gezeigt, welches Verhalten er von seinen Hörern erwartet. So zu leben erfordert Mut. Jesus weiß darum, wie leicht wir Menschen mutlos werden, wenn wir auf Widerstand stoßen, wie schwer es uns fällt, gegen den Strom zu schwimmen. Aber die Welt braucht Menschen, die so leben. Sie sind das Salz der Erde.

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten.

Ohne Salz schmeckt das Essen nicht. Gäbe es keine Menschen, die sich für Frieden, Gerechtigkeit und wahre Menschlichkeit einsetzen, würde das Leben aller Menschen verkümmern. Der Mensch wäre nichts anderes als eine Nummer, ein Kostenfaktor, ein Rädchen im Getriebe. Aber jeder Mensch ist kostbar, jeder Mensch ist ein Individuum, jeder Mensch hat von Gott einen Namen, der nur ihm gehört und ihn als eigenständige Person auszeichnet, jeder Mensch hate einen Auftrag von Gott, den nur er erfüllen kann.

Diese Individualität inmitten unserer Welt zu leben und sich für die einzusetzen, dienen diese Individualität verweigert wird, erfordert Kraft und Mut. Jesus sagt nicht, dass nur wenige diese Kraft und diesen Mut aufbringen könnten. Er sagt zu allen seinen Zuhörern: Ihr seid das Salz der Erde. Jeder Mensch hat die Kraft dazu, weil wir diese Kraft nicht aus uns selbst zu nehmen brauchen, sondern weil sie von Gott kommt. Wir brauchen nur den Mut, im Vertrauen auf Gottes Hilfe den ersten Schritt zu tun. Das ist die Herausforderung an uns. Wenn wir ängstlich stehen bleiben, dann taugen wir letztlich nicht dafür, die Würze Gottes in die Welt zu bringen. Aber wir dürfen auch wissen: Jesus gibt uns unser ganzes Leben lang die Möglichkeit, immer neu damit anzufangen, wir dürfen es immer neu wagen, diesen Schritt zu tun.

Ich bat Gott um ein Licht,
damit ich sicheren Fußes
der Ungewissheit entgegen gehen kann.
Aber Gott antwortete mir:
gehe nur in die Dunkelheit
und lege deine Hand
in meine Hand.
Das ist besser als ein Licht
und sicherer als ein bekannter Weg.

5,14-16 Ihr seid das Licht der Welt

Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus. So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Ähnlich wie das Wort vom Salz der Erde, so macht auch das Wort vom Licht der Welt deutlich, welche Funktion die Gläubigen in der Welt haben. Jedoch wird Jesus hier noch etwas genauer. Das Licht, durch das die Gläubigen leuchten, sind ihre guten Werke. Diese sind es, die nicht verborgen bleiben und das Licht in die Welt bringen.

Den frühen Christen wurde ja immer wieder vorgeworfen, dass sie einen widernatürlichen Lebenswandel hätten. Dass sie sich als Brüder und Schwestern bezeichneten, wurde als ein unsittliches Zusammenleben gedeutet, und die Bezeichnung Fleisch und Blut für die Eucharistie ließ das Gerücht der Menschenfresserei aufkommen. Solche Vorurteile hatten anfangs viele gegen die Christen. Aber wenn die Menschen richtig hinsahen, konnten sie erkennen, dass den Menschen, die Jesu Worte wirklich ernst nahmen und danach lebten, kein verwerfliches Verhalten vorgeworfen werden konnte.

Das gute Verhalten der Christen weist hin auf den guten Gott. Hier nennt Jesus Gott zum ersten Mal Vater. Der Gott der Christen ist wie ein guter Vater zu den Menschen, und seine Kinder, die sich als Brüder und Schwestern bezeichnen, leben wie eine gute Familie zusammen und tun allen Menschen Gutes.

Im Johannesevangelium bezeichnet sich Jesus Christus selbst als das Licht der Welt. Es ist kein Wiederspruch, wenn Jesus hier die Gläubigen so bezeichnet. Es zeigt vielmehr, welch enge Verbindung zwischen Christus und jedem Gläubigen besteht. Wer so lebt, wie Gott es will, der wird Jesus Christus immer ähnlicher, wird zu seinem Bild in dieser Welt.

Wir können im Wort Jesu vom Licht der Welt noch eine weitere Bedeutung erkennen. Licht der Welt, das war nach dem Verständnis der gläubigen Juden die Weisung Gottes, die Thora. Jesus aber nimmt dies nun für seine Worte in Anspruch. Wie er in den folgenden Versen zeigen wird, heben seine Worte zwar die Thora, die Weisung Gottes des Alten Bundes, nicht auf, aber Jesus aktualisiert sie, und zeigt, wie sie nach dem Willen Gottes zu leben ist.

Jesus sagt aber nicht, dass seine Worte das Licht der Welt sind. Licht der Welt sind vielmehr die, die nach seiner Weisung leben. Nicht die Korrektheit der Worte hat für Jesus höchste Priorität, sondern deren Erfüllung. Zwar wird nicht der kleinste Buchstabe am Gesetz geändert werden, aber was nützt das Gesetz, wenn es nicht gelebt wird? Freilich, um danach zu leben, muss man die Weisung Gottes kennen. Aber nicht die Worte, die einst am Sinai auf steinerne Tafeln geschrieben wurden, bringen das Leben, sondern die Worte, die in die Herzen der Menschen geschrieben werden. Wer so in seinem Herzen ernsthaft nach Gottes Willen fragt und danach lebt, der trägt Gottes Licht hinein in die Welt.

Mt 6,24-34 Entschiedenheit

„Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon.“ An erster Stelle steht die Entschiedenheit für Gott. Der Sinn des Lebens besteht nicht darin, dass ein Mensch im Überfluss lebt und Schätze anhäuft. Leicht geschieht es, dass ein Mensch sein Herz ganz an den Reichtum hängt, dass er sich nur noch darum sorgt, wie er sein Geld beisammen halten und weiter vermehren kann. Ein solcher Mensch macht sich selbst kaputt, denn was nützt ihm letztlich all sein Reichtum, wenn er darüber Gott vergißt?
„Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, daß ihr etwas anzuziehen habt,“ so spricht Jesus im heutigen Evangelium. Wenn Jesus uns zur Sorglosigkeit gegenüber den irdischen Dingen aufruft, so meint er damit nicht, dass wir in bitterer Armut leben sollen. Christliches Leben bedeutet nicht, dass wir uns überhaupt nicht mehr mit den Angelegenheiten dieser Welt beschäftigen sollten. Das Leben ist wichtig und auch der Leib ist wichtig. Der Mensch braucht zum Leben eine funktionierende Gesellschaft, in der auch für die täglichen Bedürfnisse der Menschen gesorgt ist. Es ist Aufgabe der Christen, sich in diese Gesellschaft einzubringen. Christen sind keine weltfremden Menschen, die sich aus dem Leben zurückziehen. Jesus sagt ja nicht: „Lebt wie die Vögel, die weder säen, noch ernten, noch Vorräte in Scheunen sammeln.“ Jesus ruft bestimmt nicht dazu auf, dass wir alle Landwirtschaft aufgeben sollen und nur noch von dem leben sollen, was wild wächst. Würden wir Jesus so missverstehen, wären wir selbst Schuld am Niedergang der Menschheit. Jesus will uns damit vielmehr sagen: Schaut auf die Vögel, schaut auf die prächtigen Blumen. Die Vögel überleben, die Blumen wachsen immer wieder neu, obwohl sie selbst nichts dazu tun, das ist der Kreislauf der Natur, die von Gott so wunderbar geschaffen ist. Ihr Menschen aber habt Verstand und wisst euch die Natur nutzbar zu machen, durch Landwirtschaft und Handwerk. Vergesst aber dabei nicht, dass ihr von dem lebt, was Gott geschaffen hat. Ihr könnt nur ernten, wenn Gott der Saat immer wieder das Wachstum gibt. Ihn, den Schöpfer von allem, sollt ihr vor allem ehren. Seht alles als Geschenk Gottes an und gebraucht es mit euren Fähigkeiten in Dankbarkeit. Dann wird Gott euch immer alles Nötige zukommen lassen.
Vor allem dürfen wir nicht vergessen, dass es etwas gibt, das wichtiger ist als Leben und Leib, als alles, was wir auf Erden haben können. Es kommt darauf an, dass der Mensch zu Gott findet, denn sonst ist sein ganzes Leben sinnlos. Der Glaube an Gott aber gibt dem Menschen die Gewissheit, dass er nicht vergebens hier auf Erden ist und dass sein Leben zu einem guten Ziel führen wird. Wichtiger als alle Sorge um den Lebensunterhalt ist unser Vertrauen auf Gott, unsere dankbare Antwort auf seine Liebe. Jesus will, dass wir ganz auf Gott vertrauen, dass wir ihm unser Leben schenken, wie auch immer das aussehen mag. „Euch aber muss es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen.“ Wir sind dazu aufgerufen, das Reich Gottes auf Erden sichtbar zu machen, indem wir den Willen Gottes tun und so leben, dass in unserem Leben und Tun Gott erkennbar wird.
Wenn auf Erden der Wille Gottes geschieht, hat der Mensch einen Teil des verlorenen Paradieses zurück gewonnen. Adam und Eva konnten sorglos leben im Einklang mit Gott und der Natur. Dieses sorglose Leben hat der Mensch durch die Sünde zerstört. Fortan muss er sich mühsam seinen Lebensunterhalt verdienen. Der in Christus erlöste Mensch kann aber mit einer neuen Sorglosigkeit an diese Mühen des Alltags gehen. Er weiß sich ganz in Gottes Hand. Er weiß, dass Gott seinem Tun Gelingen schenkt über seine eigenen Fähigkeiten hinaus.

Mt 7,21-27 – Wehe den Schmeichlern
„Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt.“ (Mt 7,21)
Wehe den Schmeichlern! Wir kennen es ja aus dem alltäglichen Leben. Da gibt es so manche Menschen, die anderen schmeicheln, weil sie sich selbst davon einen materiellen Gewinn versprechen. Der Reiche hat scheinbar viele Freunde, den wahren Freund aber erkennst du in der Not. Wenn man nichts Materielles mehr zu bieten hat, werden sich die Schmeichler schnell abwenden, denn sie waren ja nur an ihrem eigenen Gewinn interessiert und nicht am anderen Menschen.
So gibt es auch Menschen, die Gott schmeicheln wollen. Sie geben sich nach Außen hin besonders fromm, doch in ihrem Herzen lassen sie sich nicht auf Gott ein. Sie erwarten, dass sie für ihre scheinbare Frömmigkeit von Gott irdischen Lohn erhalten, Reichtum, Gesundheit, langes Leben. Was es aber bedeutet, nach Gottes Willen zu leben, darauf wollen sie sich nicht einlassen. Ihnen geht es nicht um Gott, sondern nur um ihren persönlichen Vorteil. Jesus aber blickt in das Herz eines jeden Menschen, bei ihm ihn kann man sich nicht einschmeicheln. Wer Jesus nur mit den Lippen bekennt, sein Herz aber ihm verschließt, ist vielleicht noch schlimmer dran als ein ungläubiger Mensch.
Hören und Tun müssen zusammen gehen. Wie wichtig es ist, das Wort Gottes immer vor Augen zu haben, hören wir in der ersten Lesung aus dem Buch Deuteronomium (Dtn 11,18): „Diese meine Worte sollt ihr auf euer Herz und eure Seele schreiben. Ihr sollt sie als Zeichen um das Handgelenk binden. Sie sollen zum Schmuck auf eurer Stirn werden.“ So binden sich in wörtlicher Befolgung dieser Stelle fromme Juden die Worte der Tora an Handgelenk und Stirn. Das soll sie allezeit an die Worte Gottes erinnern: „Höre Israel! Der Herr, unser Gott, der Herr ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft.“ (Dtn 6,4f) Doch das Festmachen dieser Worte an Handgelenk und Stirn macht noch nicht zu einem gläubigen Menschen. Wichtiger ist, dass der Mensch die Worte Gottes in sein Herz und seine Seele schreibt, dass sie sein ganzes Leben bestimmen, er sie nicht nur vor sich hat, sondern auch danach lebt. Der Schmuck mit den Worten Gottes ist eine ständige Erinnerung an die Forderung Gottes, diese Worte auch zu leben.
„Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baute. – Wer aber meine Worte hört und nicht danach handelt, ist wie ein unvernünftiger Mann, der sein Haus auf Sand baute.“ Wenn wir uns die folgenden Verse (Mt 11,24-27) genau ansehen, werden wir eine Parallelität erkennen. Die Häuser der beiden Männer sind gleichermaßen dem Wolkenbruch, Wassermassen und Stürmen ausgeliefert. Jesus sagt nicht, dass der, der seine Worte hört und danach handelt, davor bewahrt bliebe. Kein Mensch, ob Gläubiger und Ungläubiger, wird hier auf Erden von Leid, Krankheit und anderer Mühsal verschont bleiben. Krankheit ist keine Strafe für Unglauben, genauso wie Gesundheit keine Belohnung für ein gutes Leben ist. Wir können den Unterschied zwischen Glauben und Unglauben nicht am irdischen Wohlergehen fest machen.
Den Unterschied, worauf das Haus gebaut ist, erkennt man daran, wie es aus all den Widrigkeiten hervorgeht. Der kluge Mann wird anders mit den Mühsalen des Lebens umgehen als der unvernünftige. Wer die Worte Jesu hört und danach handelt, wer also im wahren Glauben ganz auf Gott vertraut und ihn als Herrn seines Lebens anerkennt, den kann irdische Mühsal nicht wirklich erschüttern. Er weiß sich ganz in Gottes Hand. Er weiß, dass er sein Leben auf einem unerschütterlichen Felsen gegründet hat. Er weiß, dass ihn keine Mühsal und Not von dem Gott trennen kann, der selbst auf dieser Erde Leid und Tod erfahren hat.
Ein bloßes Lippenbekenntnis zu Gott, das nicht ins Herz geht, kann dies nicht verstehen. Der Schmeichler hatte sich ja von Gott seinen eigenen materiellen Vorteil erhofft. Er kann nicht verstehen, wie Gott und Leid zusammen gehen. Daher wendet er sich von Gott ab, sein Haus stürzt ein und was bleibt ist die Verzweiflung.
Sicher, auch dem, der wirklich glaubt, fällt es nicht leicht, Leid zu ertragen. Er ist sicher auch oft nahe daran, an Gott zu verzweifeln. Doch er vertraut darauf, dass Gott ihn stets vor der letzten Verzweiflung bewahrt. Gott wird in jedem Leid Trost spenden, wenn Wassermassen und Stürme noch so toben, sie bringen das Haus des Gerechten nicht zum Einsturz. Es ist freilich nicht ausgeschlossen, dass es dem Menschen auch materiell gut geht, wenn er sich auf ein Leben mit Gott einlässt. Ganz im Gegenteil. Ein gläubiger Familienvater beispielsweise darf auf Gott vertrauen, dass er für das Wohlergehen seiner Familie sorgt. Wir dürfen uns von Gott aber nicht allein irdischen Lohn erhoffen. Wer sich ganz dem Willen Gottes überlässt, wird auf Erden mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Doch im festen Vertrauen auf Gott kann er sie alle bestehen. Auch wenn es nach irdischen Kriterien unlogisch erscheint, sein Haus wird letztlich mehr Bestand haben, als das Haus dessen, der allein nach irdischen Maßstäben gerechnet hat. Das Leben mit Gott ist spannend und hält immer wieder neue Überraschungen bereit. Es lohnt sich, sich darauf einzulassen.

Mt 9,9-13 – Lernen
In jener Zeit sah Jesus einen Mann namens Matthäus am Zoll sitzen und sagte zu ihm: Folge mir nach! Da stand Matthäus auf und folgte ihm. Und als Jesus in seinem Haus beim Essen war, kamen viele Zöllner und Sünder und aßen zusammen mit ihm und seinen Jüngern. Als die Pharisäer das sahen, sagten sie zu seinen Jüngern: Wie kann euer Meister zusammen mit Zöllnern und Sündern essen? Jesus hörte es und sagte: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Darum lernt was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer. Denn ich bin gekommen, die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten. (Mt 9,1-13)
„Darum lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer.“ Jesus zitiert hier den Propheten Hosea, von dem wir in der ersten Lesung hören (Hos 6,3-6). Beim Propheten Hosea ist das Volk Israel die Braut Gottes. Gott ist der Bräutigam, dem sein Volk angetraut ist. Doch anstatt die Liebe, die Gott seinem Volk erweist, zu erwidern, wendet es sich von seinem Gott ab und nutzlosen Götzen zu. So wird die geliebte Braut zur Dirne. Dies muss der Prophet im Auftrag Gottes ganz konkret zeigen, indem er sich eine Dirne zur Frau nimmt. Doch Gott zeigt sein Erbarmen darin, dass er bereit ist, die treulose Frau, das Volk, das durch seinen Götzendienst zur Dirne geworden ist, wieder als geliebte Ehefrau anzunehmen, wenn das Volk nur umkehrt und von seinem Götzendienst ablässt, wenn es lernt, dass Gott es ist, der sein Volk wirklich liebt. Gott wirbt um das Volk wie ein Liebhaber um die Geliebte.
Zöllner waren zur Zeit Jesu wohl der verachtetste Menschentyp, noch schlimmer als Dirnen. Sie ließen sich mit der verhassten römischen Besatzungsmacht ein und profitierten von deren ungerechtem Zollsystem. Sie zogen den Juden das Geld aus der Tasche, nicht nur um es an die Römer abzuliefern, sondern auch um es ungestraft in ihre eigene Tasche zu stecken. Zöllner standen auch außerhalb der jüdischen Religionsgemeinschaft, denn ihr Beruf wurde nicht nur als Verrat gegenüber dem Volk, sondern auch als Verrat gegenüber Gott angesehen, weil sie mit den Heiden gemeinsame Sache machten.
Einen solchen Zöllner beruft Jesus in seine Nachfolge. Scheinbar ganz unverhofft spricht Jesus ihn an: „Folge mir nach!“ Vielleicht hat Matthäus schon länger darüber nachgedacht, dass ihn ein Leben als Zöllner nicht glücklich macht und war so schon innerlich auf die Begegnung mit Jesus vorbereitet. Vielleicht hat er erkannt, dass all das viele Geld nichts nützt, wenn man von seinen eigenen Landsleuten gemieden wird und dass ein prunkvolles Haus zum Gefängnis werden kann, wenn man keine wirklichen Freunde hat, die man dorthin einladen kann. Wir wissen es nicht. Jedenfalls überlegt er nicht lange. Sofort verlässt er seinen Zollstand und folgt Jesus nach. Soll doch ein anderer diese Arbeit machen und Geld einkassieren. Er hat erkannt, worauf es im Leben wirklich ankommt und dass Jesus mehr wert ist als aller Reichtum, den er an seiner Zollstelle hätte anhäufen können. Diesen Jesus kann ihn nun niemand mehr nehmen. Vor allem hat er gelernt, was Gottes Barmherzigkeit bedeutet. Gott umwirbt mit seiner Liebe jeden Menschen und wartet auf die Antwort. Matthäus hat die einzig mögliche Antwort auf den Ruf Gottes gegeben: Nachfolge.
Ist doch nichts besonderes, werden wir vielleicht denken, wenn wir diese Geschichte nach zweitausend Jahren lesen. Er hat ja auch Jesus gesehen. Doch Jesus ist uns heute genau so gegenwärtig wie den Menschen damals. Doch wie schwer fällt es heute den Menschen, auf die Liebe Gottes zu antworten, indem sie Jesus folgen. So vieles scheint attraktiver zu sein, spannender, erfolgversprechender, als sich von einem unsichtbaren Gott lieben zu lassen. Das Irdische scheint so konkret den Menschen glücklich zu machen, auch wenn er immer wieder erfahren muss, dass irdisches Glück meist nicht von langer Dauer ist. Doch viele Menschen werden dadurch nicht klüger. Sie bleiben lieber an ihrer mehr oder weniger einträglichen Stelle sitzen und geben sich mit dem kleinen Glück zufrieden, anstatt nach dem wahren Glück Ausschau zu halten.
Warum lernt der Mensch so schwer? Warum erkennt er nicht, dass es allein Gott ist, der ihn wirklich glücklich machen kann? Warum sucht der Mensch nach jedem Misserfolg doch da wieder sein Glück, wo er es schon vorher nicht finden konnte? Das Leben wird zur Sucht, wenn die Sehnsucht nicht gestillt wird. Es ist wie bei einem Spieler, der immer hofft, doch noch den großen Gewinn zu machen, obwohl er nur immer mehr verliert – aber beim nächsten Mal habe ich Glück ... Warum fällt es den Menschen so schwer zu lernen? Warum ist es so schwer, den Weg zu erkennen, der aus allen Süchten befreit und die Sehnsucht wirklich stillen kann?
Doch nicht nur die Sünder müssen lernen, was die Barmherzigkeit Gottes bedeutet, auch die Gerechten kennen sie oft nicht. Sie müssen lernen, dass Gottes Liebe größer ist, als ihre Gerechtigkeit. Die Liebe Gottes ist ein Geschenk, das Gott allen Menschen geben möchte. Gott glaubt an das Gute im Menschen. Jeder – auch der schlimmste Sünder – kann sich bekehren. Daran zweifeln sie. Einmal Sünder, immer Sünder. Ein Verräter kommt uns nicht mit an den Tisch – die ewige Strafe ist ihm sicher. So will es das Gesetz, das haben wir schließlich von früher Jugend an auswendig gelernt und befolgen es bis auf den letzten Buchstaben – uns kann keiner mehr etwas vormachen, wir wissen Bescheid – wir brauchen nichts mehr lernen.
Lernt! sagt Jesus. Lernt euer ganzes Leben! Auch wenn ihr seit eurer Jugend das Gesetz Gottes kennt – was ja sehr gut ist – seid ihr nicht davon befreit, weiter zu lernen. Gottes Barmherzigkeit ist unbegrenzt. Jeder Mensch ist einmalig und so ist auch der Weg, den Gott mit jedem Menschen geht, einmalig. Es gibt immer Neues, neue Menschen, neue Herausforderungen. Das Alte ist hilfreich, wenn man bereit ist, Neues dazuzulernen. Und: Es besteht eine reale Möglichkeit, dass Menschen sich ändern – umkehren – können.
„Eure Liebe ist wie eine Wolke am Morgen und wie der Tau, der bald vergeht.“ So spricht Gott durch den Propheten Hosea. Ein kleiner Anflug von Liebe zu Gott, der bei der ersten Verlockung durch die Welt wieder verfliegt, das nützt nichts. Wer nicht an die Macht der Liebe Gottes glaubt und ihr ungeteilt folgt, ist ein Ungläubiger, egal ob er ein Sünder oder ein Gerechter ist. Die Liebe Gottes hat die Kraft, auch einen Sünder, einen, der seinen Gott und sein Volk verraten hat, wieder als vollgültigen Mitbürger des Reiches Gottes einzusetzen, ja mehr als das. Jesus beruft Matthäus unter die zwölf Apostel und der Heilige Geist schenkt ihm später die Gnade, eines der vier Evangelien zu schreiben.
Die Wege Gottes sind unergründlich. Wir können ihnen nur folgen, wenn wir immer wieder bereit sind, Neues zu lernen, vor allem in Bezug auf Gottes Liebe und Barmherzigkeit, die wir nie ganz begreifen können. Wer dieser Liebe folgen will, muss bereit sein, das aufzugeben, was dieser Liebe entgegensteht. Das kann ein sündiges Leben sein, aber auch das Vertrauen in die eigene Gerechtigkeit. Alle müssen sich von Gott mit seiner Liebe und Barmherzigkeit beschenken lassen, egal ob Sünder oder Gerechter. Das zu lernen, ist für beide schwer. Herr, hilf uns immer wieder dabei, zu lernen, wie groß die Macht Deiner Liebe ist, und hilf uns, Deiner Liebe zu folgen.

Mt 9,36-10,8 – Herzenseigentum
Herzenseigentum – so nennt Gott sein auserwähltes Volk: „Wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein Herzenseigentum sein. Mir gehört die ganze Erde, ihr aber sollt mir als ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören.“ (Ex 19,2-6a)
Herzenseigentum – ein Volk, das Gott in ganz besonderer Weise gehört und für das Gott auch in ganz besonderer Weise sorgt. Das ist Geschenk und Aufgabe zugleich. Gott erwählt sich sein Volk. Es kann selbst nichts zu dieser Erwählung tun. Doch Erwähltsein bedeutet auch, dass das Volk dieser Erwählung gerecht werden muss. Die anderen Völker sollen am Leben des auserwählten Volkes erkennen, dass es einen Gott gibt, der die Welt erschaffen hat und der die Menschen liebt. Wird das Volk in seinem Leben dieser Erwählung nicht gerecht und bricht es den Bund, den Gott mit ihm geschlossen hat, dann trifft es die Strafe Gottes, bis es wieder zu Gott umkehrt. Doch die Erwählung bleibt weiterhin bestehen.
Tatsächlich ist das auserwählte Volk oft seiner Verantwortung nicht gerecht geworden, doch immer hat Gott es durch alle Schwierigkeiten getragen und so seine Barmherzigkeit erwiesen. Schließlich wurde aus diesem erwählten Volk der Retter der Welt, Jesus Christus, geboren.
Durch Jesus Christus wird der Bund Gottes auf alle Menschen ausgeweitet. Alle Menschen sollen zum Herzenseigentum Gottes werden. Nicht mehr nur die gehören zum erwählten Volk, die dem Fleische nach Juden sind, sondern die Erwählten sind nun alle, die in der Taufe auf den Namen des dreifaltigen Gottes zu neuem Leben wiedergeboren sind.
Wie das Volk des alten Bundes auf die zwölf Stammväter, die Söhne Jakobs, zurückgeht, so beruft Jesus Christus die zwölf Apostel als Stammväter des neuen Volkes. Die Kirche ist auf die Apostel gegründet und durch die Bischöfe bleibt die Verbindung zu den Aposteln dauerhaft bestehen.
Um sein auserwähltes Volk, sein Herzenseigentum, aus allen Bewohnern der Erde zu sammeln, braucht Gott Menschen, die sich in seinen Dienst stellen. „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden.“ Die Arbeiter sind nicht Menschen, die sich aus eigenem Entschluss in den Dienst Gottes stellen, oder von anderen Menschen dazu bestellt werden, Gott selbst ist es, der die Arbeiter für seine Ernte beruft und sendet. Menschen können sich nicht selbst berufen, sondern nur mit ihrem Ja auf den Ruf Gottes antworten. Menschen können nicht selbst Arbeiter in den Weinberg Gottes schicken, sondern sie müssen Gott darum bitten, er allein kann es tun.
Es muss unser größtes Anliegen sein, dass alle Menschen auf der Welt Herzenseigentum Gottes werden. Allein dadurch erfahren die Menschen Trost und Hilfe in ihren Nöten. Es geht darum, allen Menschen auf der Erde die Botschaft zu bringen, dass es einen Gott gibt, der Liebe ist, einen Gott, der das Heil aller Menschen will.
An erster Stelle steht der Auftrag Jesu zur Verkündigung. „Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe.“ Gott und sein Reich müssen im Mittelpunkt der Verkündigung stehen. Die Kirche ist dazu bestimmt, von Gott Zeugnis zu geben und nicht nur eine Botschaft vom guten Menschen zu verkünden. Wenn aber Gott im Mittelpunkt der Verkündigung steht, dann steht auch der Mensch im Mittelpunkt. Das erkennt man an den Taten, die der Verkündigung folgen: „Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!“ Nur, wem es zuerst um Gott geht, der kann auch den Menschen helfen, denn die Menschen können all dies nicht aus eigener Kraft wirken. Gott allein ist es, der die Krankheiten der Menschen heilt, Tote auferweckt, Aussätzige rein macht, Dämonen austreibt. Er tut es aber durch Menschen, die in seinem Namen handeln.
Herzenseigentum – Gott kümmert sich um sein Volk, Gott ist nahe in allen Nöten und Leiden. Gott nimmt sich seines Volkes an. Das ist der Trost, der in diesen Worten liegt. Wie wichtig ist es da, dass Gott Menschen beruft, die in seinem Namen den Menschen diesen Trost bringen, Menschen, denen Gott selbst Vollmacht und Kraft gibt für ihren Dienst. Bitten wird Gott, dass er uns solche Menschen schenkt.

Mt 10,26-33 – In Gottes Hand
Verkauft man nicht zwei Spatzen für ein paar Cent? Und doch fällt keiner von ihnen zur Erde ohne den Willen eures Vaters. Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als viele Spatzen.
Diese Worte Jesu stehen im Zusammenhang der großen Aussendungsrede an die Jünger. Furchtlos sollen sie Jesus Christus in der Welt verkünden. Laut sollen sie es tun, so dass alle Menschen sie hören können. „Verkündet von den Dächern!“ sagt Jesus. Dies wird nicht einfach werden, denn nicht alle Menschen wollen von Jesus Christus hören. In allen Widerständen dürfen die Gläubigen aber auf Gottes Beistand vertrauen. Sie haben sich auf die richtige Seite gestellt, auf die Seite der Sieger, auf die Seite des Siegers über Leben und Tod. Den Gläubigen können zwar auf Erden Hindernisse in den Weg gestellt werden, sie können Bedrängnis und Tod erfahren, doch sie dürfen gewiß sein, dass der Weg in den Himmel für sie ohne Hindernisse frei steht und das ewige Leben ihnen bereitet ist. Sie sind in Gottes Hand geborgen, der sogar die Zahl der Haare jedes einzelnen Menschen kennt. Auf Erden brauchen sie sich daher vor nichts und niemandem zu fürchten und im Himmel ist ihnen ein Ehrenplatz sicher.
Um diese Stelle tiefer verstehen zu können, ist es notwendig, weiter auszuholen, ja, wir müssen bei den ersten Worten der Heiligen Schrift beginnen: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ Himmel und Erde stehen für das Gesamt der Schöpfung. Nach christlichem Glauben besteht die Schöpfung aus einem sichtbaren und einem unsichtbaren Teil. Es gibt eine körperliche Welt und eine rein geistige Welt. Mit Himmel ist die für uns Menschen hier auf Erden unsichtbare, geistige Welt gemeint, das Reich der Engel, der himmlischen Heerscharen. Erde meint die gesamte körperliche, uns Menschen sichtbare Welt, die Erde und das Universum. All das hat Gott geschaffen und er hält alles in seiner Hand. Nichts geschieht ohne sein Wissen.
Der Mensch lebt in der körperlichen Welt, hat aber zugleich Anteil an der geistigen. Er hat einen Körper und eine Seele. Die Seele macht den Menschen dazu fähig, Gott zu erkennen. Zu Gott zu gelangen, indem er seinen Willen tut, ist das höchste Ziel des Menschen. Daher muß Gott für den Menschen vor allen anderen Dingen stehen.
Diese Beziehung ist gegenseitig. Auch für Gott steht der Mensch vor allem anderen. Jesus sagt uns im heutigen Evangelium, wie wertvoll wir für Gott sind. Bei euch sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Ihr seid mehr Wert als viele Spatzen, mehr wert als alles auf der Welt. Dies hat uns Gott konkret darin gezeigt, dass er in Jesus Christus selbst auf diese Erde gekommen und Mensch geworden ist. Auch nach Christi Tod und Auferstehung bleibt Gott unter uns gegenwärtig.
Der Mensch hat nun schon hier auf Erden konkret Anteil am Himmel. Jesus Christus ist gekommen, um das Reich Gottes hier auf Erden aufzubauen. Matthäus schreibt statt Reich Gottes das Reich der Himmel. Der Himmel, jene für das Auge unsichtbare, geistige Welt, ist schon auf Erden gegenwärtig. So sagt auch Jesus: Das Reich Gottes ist mitten unter uns. Durch die Taufe werden die Menschen zu Kindern Gottes und somit zu Mitbürgern dieses Himmelreiches. Die Christen sind also sozusagen mit einem Fuß schon im Himmel, obwohl sie weiterhin hier auf Erden leben.
Nun sollte man meinen, dass alle Menschen danach streben, in dieses Himmelreich zu kommen, denn nur dort findet der Mensch das wahre Glück. Doch viele Menschen wollen lieber in der Sklaverei der Sünde bleiben, als zur Freiheit der Kinder Gottes gelangen. Wir wissen auch, dass es einen gibt, der die Menschen davon abbringen möchte, in das Himmelreich zu kommen. Der Satan stellt den Menschen das niedere Gut für das Erstrebenswerte dar und schafft er es zu allen Zeiten, Menschen auf seine Seite zu ziehen. Somit haben die Bürger des Himmelreiches immer mit Widerstand und Anfechtungen zu kämpfen.
Jesus weiß, dass christliches Leben hier auf Erden vielen Gefahren ausgesetzt ist. Die Gefahren lauern im Innern eines jeden Menschen und sie kommen von Außen. Jeder Mensch hat in seinem Innern mit seinen Schwächen zu kämpfen, mit seiner Bequemlichkeit, mit schlechten Gedanken, durch die der Versucher immer wieder die Gläubigen vom guten Weg abbringen möchte. Auch von Außen kommt Widerstand. Menschen verführen einander durch schlechtes Beispiel, aber auch durch offene Gewalt. Dies kann durch Worte geschehen, wie wir es oft auch bei uns erleben, wenn das Christentum bewußt in ein schlechtes Licht gerückt wird oder gar heilige Namen und Dinge öffentlich gelästert werden. An manchen Orten der Erde erleben wir es auch heute, dass Menschen wegen ihres Glaubens verfolgt werden und körperlicher Gewalt ausgesetzt sind, ja ihres Glaubens an Jesus Christus wegen getötet werden.
All das weiß Jesus. Er hat den Haß der Menschen ja an seinem eigenen Leib erfahren. Jesus will uns Mut machen, und uns zeigen, dass wir uns vor all dem nicht zu fürchten brauchen. Gott hat alles unter Kontrolle und beschützt die Bewohner seines Reiches auf ganz besondere Weise. Zwar kann er nicht gegen die Freiheit des Menschen handeln, weil er selbst das so festgesetzt hat. Daher kann er die Gewalt gegen die Gläubigen nicht verhindern. Aber er hat die Macht, seine Treuen aus allen Gefahren zu retten. Gott sieht alles, was geschieht. Er ist in jeder Situation nahe.
Das ist der Trost, den uns dieses Evangelium gibt. Jeder Mensch ist wertvoll vor Gott. Jeder Mensch bedeutet Gott etwas und Gott hält jeden Menschen in seiner Hand geborgen. Wenn wir uns in unserem Leben auch oft fragen: Wo ist Gott? So dürfen wir dennoch nie verzweifeln. Gott ist immer nahe, auch wenn wir uns manchmal von ihm verlassen fühlen. Guter Gott, lass uns zu jeder Zeit deine helfende Nähe und Gegenwart erfahren!

Mt 10,37-42 - Bereitschaft zur Liebe
Das Evangelium dieses Sonntags ist sehr inhaltsreich. Zunächst geht es einmal um den Ernst der Nachfolge. Wer Vater, Mutter, Sohn oder Tochter mehr liebt als Christus ist seiner nicht würdig. Was kann mit diesem Wort gemeint sein? Will Jesus die Auflösung aller familiären Bande? Sicher nicht, denn an anderer Stelle kritisiert er das scheinheilige Verhalten, den für die Eltern bestimmten Lebensunterhalt dem Tempel zu opfern (vgl. Mk 7,9-13). Die Familie ist wichtig, Christus aber muß wichtiger sein.
Es ist hier genauso wie beim dreifachen Liebesgebot: „Als der Herr gefragt wurde, welches das erste und größte Gebot im Gesetze sei, erwiderte er: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben, aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deinem ganzen Gemüte und aus allen deinen Kräften.“ „Das“, fügte er hinzu, „ist das erste und größte Gebot.“ Und dann der merkwürdige Satz: „Das andere aber ist diesem gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.“ Wirklich merkwürdig! Wenn das zuerst genannte Gebot „das erste und größte ist“ – wie kann dann ein zweites „ihm gleich“ sein? Was bedeutet das? Offenbar, daß die beiden Gebote, „Gott zu lieben mit allen Kräften“, und „den Nächsten, wie sich selbst“, die zunächst verschiedenen Inhalt zu haben scheinen, in Wahrheit eines sind. Nicht das Gleiche, aber eine Einheit. Gott lieben kann ich nur, wenn ich bereit bin, auch wirklich zu sein, was ich von Ihm her bin. Er hat mich aber geschaffen und gewollt als Einen, der in der Gemeinsamkeit steht. Seine Liebe meint mich in meinem Eigensten, aber stehend unter den anderen Menschen. So ist die Liebe, die er von mir fordert, ein Geheimnis der Einheit zwischen Ihm und mir, aber eben darin auch zwischen mir und den Anderen, zwischen Ihm und Allen. die Liebe ist ein Strom, der von Ihm kommt; zu mir, aber durch mich hindurch weiter zu allen Anderen. Es ist wie der Kreislauf des Blutes, der aus dem gleichen Herzen kommt, aber durch viele Glieder geht.“ (aus: Romano Guardini, Das Gebet des Herrn)
Wir sollen nicht uns selber finden und uns in unserem Beziehungsgeflecht einigeln, sondern wir sollen immer Raum für Christus schaffen. Er ist es, durch den menschliche Beziehungen erst gelingen können. Jeder Mensch hat seine Berufung von Gott. Wir müssen uns immer wieder öffnen für Gott und danach fragen, was er von uns will. Das ist das Kreuz, das jeder zu tragen hat. Doch schrecken wir davor nicht zurück. Jesus sagt selbst: „Ich werde euch Ruhe verschaffen ... mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.“ (Mt 11,28-30) Der zweite Teil des Evangeliums betrachtet das eben gesagte aus einer anderen Perspektive. Wenn einer Jesu JüngerIn ist und durch ihn oder sie die Liebe Christi zu den Menschen strömt, dann kommt durch einen solchen Menschen gleichsam Christus selbst zu uns. Daher das ungeheuerliche Wort Jesu zu seinen Jüngern: Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf und damit auch den Vater, der mich gesandt hat. Ja selbst, wer einem der Jünger Jesu nur einen kleinen Dienst erweist, indem er ihm beispielsweise einen Becher frischen Wassers gibt – jetzt in der heißen Sommerzeit können wir erahnen, daß auch dies eine große Wohltat sein kann – wird nicht um seinen Lohn kommen.
Auch in der Lesung aus dem Alten Testament hören wir ein Beispiel für den Lohn der Gastfreundschaft. Es wäre schön, wenn Sie sich die Zeit nehmen könnten, diesen Text in seiner ganzen Länge zu Hause nochmals nachzulesen (2Kön 4,8-37). Auch die Titelseite dieses Pfarrblättchens zeigt diese Begebenheit. Eine vornehme Frau aus der Stadt Schunem beherbergt den Propheten Elischa jedesmal, wenn er in diese Stadt kommt. Ihr größtes Leid ist es, daß sie keinen Sohn hat. Ihr Mann ist schon alt und es wäre eine Schande, wenn sie keinen männlichen Stammhalter in der Familie hätten. Doch Elischa betet für sie und tatsächlich wird der Familie ein Sohn geschenkt. Doch damit ist dieser Text noch nicht zu Ende. Das Kind wird krank und liegt im Sterben. Doch auch hier hilft das Gebet des Elischa. Der schon totgeglaubte Sohn lebt wieder.

Mt 11,25-30
„Ich preise Dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil Du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unwissenden aber offenbart hast.“
Das heutige Evangelium erinnert mich an einige Punkte in der Geschichte der Theologie. Da ist zunächst die große Wende im 12. Jahrhundert, als die „kniende“ zu einer „sitzenden“ Theologie wurde. Hatten bisher das Lehrmonopol die Mönche inne, die Theologie als Meditation der Heiligen Schrift und ihrer Auslegung durch die Kirchenlehrer betrieben, so treten ab dem 12. Jahrhundert mehr und mehr die Universitäten in den Vordergrund. Die Theologie wird zu einem System von Lehrsäten und an die Stelle der Meditation tritt die Disputation.
Auch mit dem II. Vatikanum gab es einen deutlichen Umbruch. Versuchten die großen Theologen der Zeit vor dem Konzil noch, Altes mit Neuem zu vereinen, hat man nach dem Konzil viel Altes über Bord geworfen. Viele meinten, den Glauben mit rein innerweltlichen Wissenschaften begründen zu können. Freilich können diese Wissenschaften im Rahmen ihrer Möglichkeiten der Theologie einen guten Dienst erweisen, letzlich übersteigt der Glaube aber die Möglichkeiten unserer Vernunft. Wir können uns dem Geheimnis Gottes nur annähern und müssen uns bewußt sein, daß Er stets größer ist als alles, was wir mit unserem Denken und unserer Erkenntnis erfassen können. Gott selbst ist es, der sich uns offenbart und sich zu erkennen gibt, wo unser Verstand an eine Grenze kommt. Das ist sein Geschenk und er gibt es den Kleinen, den Unwissenden. Auch große Denker können zu diesen Kleinen zählen, wenn sie in Demut erkennen, daß all ihre Worte nur Stückwerk sind. Und nur der kann wahrhaft Theologie betreiben, der Jesus nachfolgt.
Wir alle sind dazu aufgerufen, uns an das leichte Joch Jesu spannen zu lassen. Das Joch ermöglicht es dem Ochsen, seine Kraft für eine sinnvolle Arbeit in der Landwirtschaft umzusetzen. Unter dem Joch Christi können wir unsere Kraft für den Dienst am Herrn umsetzen, jeder dort wo Er ihn hingestellt hat. Wenn wir dieses Joch auf uns nehmen, kann unser Leben gelingen. Das Joch der Welt scheint uns oft zu erdrücken. Aber Jesus wird uns einst nicht fragen, welchen irdischen Ruhm wir erworben haben, wie hoch unser Bankkonto war oder was für große Intellektuelle wir gewesen sind, sondern er wird fragen: wieviel hast du geliebt.

13 Die Gleichnisrede Jesu

13,1-3a Der Beginn der Rede

An jenem Tag verließ Jesus das Haus und setzte sich an das Ufer des Sees. Da versammelte sich eine große Menschenmenge um ihn. Er stieg deshalb in ein Boot und setzte sich; die Leute aber standen am Ufer. Und er sprach lange zu ihnen in Form von Gleichnissen.

Matthäus schildert sehr ausführlich, dass Jesus das Haus verlässt und zum See geht. Wenn man die vorangehenden Kapitel liest, müsste sich Jesus in Kafarnaum befinden. Dort hat er eine feste Bleibe, wo er während seiner Aufenthalte dort wohnt.

Die Menschen bemerken, dass Jesus am See sitzt und kommen zu ihm. Aus einem Boot heraus predigt Jesus zu den Menschen. Das scheint er oft getan zu haben, denn eine solche Situation wird mehrmals in den Evangelien berichtet.

Jesus redet zu den Menschen am Ufer in Form von Gleichnissen. Später sagt Jesus zu den Jüngern, dass er das Volk nur in Form von Gleichnissen belehrt. Das verwundert etwas, denn die erste große Rede Jesu, zu der auch viele Menschen gekommen sind, ist die Bergpredigt und da redet Jesus durchaus „Klartext“. Dann überliefert uns Matthäus in Kapitel 10 eine explizit an die Jünger gerichtete Rede. Nun in Kapitel 13 mischt sich beides. Jesus redet zur Menge in Gleichnissen und erklärt diese dann dem engeren Kreis der Jünger.

Jesus unterscheidet also deutlich, für wen welche Worte bestimmt sind. So könnte man sagen, dass alle Menschen dazu gerufen sind, seine Worte, die das Gesetzt des Mose auslegen, das für alle Juden gültig ist, zu befolgen. Es gibt einen Weg des Heils, der für alle gehbar ist, die nur bereit sind, gut und gerecht zu leben.

Dann aber beruft Jesus bestimmte Menschen in die engere Nachfolge, die neben einem gerechten Leben auch noch eine enge Bindung an Jesus bedeutet, also alles zu verlassen und Jesus allein zu dienen. Es werden also immer nur wenige sein, die ein Leben in radikaler Armut in der Nachfolge Jesu leben. Von allen aber verlangt Jesus Entschiedenheit und Treue für ein Leben nach Gottes Wort.

Mt 13,3b-9 Das Gleichnis vom Sämann

Er sagte: Ein Sämann ging aufs Feld, um zu säen.

Als er säte, fiel ein Teil der Körner auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen sie.

Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf, weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte.

Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat.

Ein anderer Teil schließlich fiel auf guten Boden und brachte Frucht, teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach.

Wer Ohren hat, der höre.

Der Sämann sät das Wort vom Reich Gottes. Somit ist der Sämann zuerst Jesus selbst und dann die von ihm berufenen Jünger in besonderer Weise und schließlich alle Menschen, die ein Leben nach Gottes Wort führen. Im Blick auf das Matthäusevangelium könnten wir sagen, dass dieses Wort in erster Linie das ist, wovon Jesus in der Bergpredigt spricht, das Gesetz des Mose und seine Auslegung durch Jesus Christus.

Der Sämann sät das Wort ohne Unterschied aus. Alle können es hören. Er prüft nicht vorher den Boden, ob er auch fruchtbar ist, sondern holt weit aus, damit der Samen möglichst weit verteilt wird.

Was aber aus dem wird, was gesät ist, zeigt sich bald nach der Aussaat. Auf dem Weg werden die Körner schnell von den Vögeln gefressen, auf felsigem Boden geht die Saat sofort auf, verdorrt aber schnell, weil sie keine Wurzeln hat, in den Dornen wird sie von diesen erstickt. Doch es gibt auch den Samen, der auf guten Boden fällt. Hier hat sich die Aussaat gelobt und sie bringt große Frucht.

Mt 13,10-23 Die Erklärung für die Jünger

Da kamen die Jünger zu ihm und sagten: Warum redest du zu ihnen in Gleichnissen?

Er antwortete: Euch ist es gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu erkennen; ihnen aber ist es nicht gegeben. Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Deshalb rede ich zu ihnen in Gleichnissen, weil sie sehen und doch nicht sehen, weil sie hören und doch nicht hören und nichts verstehen.

An ihnen erfüllt sich die Weissagung Jesajas: Hören sollt ihr, hören, aber nicht verstehen; sehen sollt ihr, sehen, aber nicht erkennen. Denn das Herz dieses Volkes ist hart geworden und mit ihren Ohren hören sie nur schwer und ihre Augen halten sie geschlossen, damit sie mit ihren Augen nicht sehen und mit ihren Ohren nicht hören, damit sie mit ihrem Herzen nicht zur Einsicht kommen, damit sie sich nicht bekehren und ich sie nicht heile.

Ihr aber seid selig, denn eure Augen sehen und eure Ohren hören. Amen, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben sich danach gesehnt zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.

Hört also, was das Gleichnis vom Sämann bedeutet.

Immer wenn ein Mensch das Wort vom Reich hört und es nicht versteht, kommt der Böse und nimmt alles weg, was diesem Menschen ins Herz gesät wurde; hier ist der Samen auf den Weg gefallen.

Auf felsigen Boden ist der Samen bei dem gefallen, der das Wort hört und sofort freudig aufnimmt, aber keine Wurzeln hat, sondern unbeständig ist; sobald er um des Wortes willen bedrängt oder verfolgt wird, kommt er zu Fall.

In die Dornen ist der Samen bei dem gefallen, der das Wort zwar hört, aber dann ersticken es die Sorgen dieser Welt und der trügerische Reichtum und es bringt keine Frucht.

Auf guten Boden ist der Samen bei dem gesät, der das Wort hört und es auch versteht; er bringt dann Frucht, hundertfach oder sechzigfach oder dreißigfach.

Jesus unterbricht seine Rede an das Volk für eine Belehrung der Jünger. Sie sind die Verständigen, die erkannt haben, worum es Jesus geht. Aber doch muss er ihnen erklären, was das Gleichnis vom Sämann bedeutet. Wer hat, dem wird gegeben. Die Jünger haben schon gezeigt, dass sie bereit sind, Jesus zu hören und ihm zu folgen. Sie können nun tiefer in seine Lehre eingeführt werden. Bei den anderen Zuhörern muss sich erst zeigen, wer bereit ist, den Samen aufzunehmen und fruchtbar werden zu lassen. Dann wird auch er ein Jünger Jesu, der sein Wort immer tiefer verstehen wird. Menschen ohne Tiefgang aber wenden sich schon bald wieder von Jesus ab und sind nicht an weiterer Unterweisung interessiert.

Sicher haben die Menschen, während Jesus allein mit seinen Jüngern spricht, über das gehörte diskutiert. Manche werden wohl bald wieder ihrer eigenen Beschäftigung nachgegangen sein, manche sind sicher nachdenklich geworden und einige werden versucht haben, engeren Kontakt zu Jesus und seinen Jüngern zu knüpfen, um noch mehr von Jesus zu erfahren.

Wir können uns das vielleicht ein wenig so vorstellen wie bei einem Vortrag. In der Pause bilden sich verschiedene Grüppchen, die untereinander weiter diskutieren, manche aber sind mit den Gedanken schon woanders und einige belagern den Redner, um mehr von ihm zu erfahren. Nach solch einer „Pause“ setzt Jesus seine Rede an das Volk fort:

Mt 13,24-30 Das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen

Und Jesus erzählte ihnen noch ein anderes Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte.

Während nun die Leute schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging wieder weg.

Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein.

Da gingen die Knechte zu dem Gutsherrn und sagten: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher kommt dann das Unkraut?

Er antwortete: Das hat ein Feind von mir getan.

Da sagten die Knechte zu ihm: Sollen wir gehen und es ausreißen?

Er entgegnete: Nein, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus. Lasst beides wachsen bis zur Ernte. Wenn dann die Zeit der Ernte da ist, werde ich den Arbeitern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, um es zu verbrennen; den Weizen aber bringt in meine Scheune.

Das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen folgt auf das Gleichnis vom Sämann. In beiden geht es um das Wort, das ausgesät wird. Das Gleichnis vom Sämann endet damit, dass das Wort Frucht bringt, wenn es auf guten Boden fällt. Ein solches fruchtbares Feld kommt nun in diesem Gleichnis in den Blick. Der Samen ist aufgegangen und bringt reichlich Frucht. Damit könnte ja alles gut sein, aber so einfach ist es nicht. Der Feind, der schon einen Teil des Samens am Wachstum gehindert hat, sät nun auch Unkraut unter den guten Weizen.

Bald geht die Saat des Bösen auf und ist für alle sichtbar. Am liebsten würden die Knechte das Unkraut ausreißen. Doch der Herr mahnt zur Vorsicht. Allzu leicht könnten sie dabei auch das gute Getreide erwischen und zusammen mit dem Unkraut ausreißen. Sicher werden beim Gang durch das Feld auch so manche Halme umgetreten. Der Schaden würde also auf jeden Fall größer, als er ohnehin schon ist.

Jesus ermahnt hier die Übereifrigen zur Vorsicht. Zum einen ist es eine zwar unschöne, aber dennoch unumgängliche Tatsache, dass unter jedem guten Samen auch Unkraut wächst. Es gibt nicht die perfekte Gesellschaft, in der alle nur gut sind. Es wird immer Menschen geben, die Fehler machen, aus Schwäche oder aber auch aus Bosheit. Dies muss jede Gemeinschaft ertragen. Die Geschichte liefert uns genug Beispiele dafür, dass sogenannte Säuberungsaktionen in brutaler Gewalt geendet sind und Gemeinschaften der „Reinen“ sich durch ihren Wahn selbst aufgefressen haben.

Jesus sagt aber auch deutlich, dass es ein Gericht geben wird, in dem dann die Spreu vom Weizen getrennt wird. Dies kann ein Trost für die Eifrigen sein, die sich in ihrem Richten Mäßigung auferlegen müssen, aber auch eine Mahnung an die Schwachen, sich mit allen Kräften darum zu mühen, das Gute zu tun und nicht einer mittelmäßigen Lauheit zu verfallen.

Auf das doch sehr harte Bild vom Feuer des Gerichtes folgen zwei schöne Gleichnisse, die zeigen, dass das Reich Gottes nicht von Menschen auf Biegen und Brechen und mit Gewalt errichtet werden muss, sondern dass es wächst, dass Gott es wachsen lässt. Alles ist in Gottes Hand, auch wenn es schlechten Boden gibt für das Wort, auch wenn das Unkraut sprießt. Wir brauchen weder in Mutlosigkeit noch in Fanatismus zu fallen. Wir sind in Gottes Hand. Er ist es, der sein Reich wachsen lässt und im Wachstum erhält, der uns wachsen lässt und uns zu Kindern seines Reiches macht.

13,31-32 Das Gleichnis vom Senfkorn

Er erzählte ihnen ein weiteres Gleichnis und sagte: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das ein Mann auf seinen Acker säte. Es ist das kleinste von allen Samenkörnern; sobald es aber hochgewachsen ist, ist es größer als die anderen Gewächse und wird zu einem Baum, sodass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten.

13,33 Das Gleichnis vom Sauerteig

Und er erzählte ihnen noch ein Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit dem Sauerteig, den eine Frau unter einen großen Trog Mehl mischte, bis das Ganze durchsäuert war.

13,34-43 Erneute Jüngerbelehrung

Dies alles sagte Jesus der Menschenmenge durch Gleichnisse; er redete nur in Gleichnissen zu ihnen. Damit sollte sich erfüllen, was durch den Propheten gesagt worden ist: Ich öffne meinen Mund und rede in Gleichnissen, ich verkünde, was seit der Schöpfung verborgen war.

Dann verließ er die Menge und ging nach Hause.

Und seine Jünger kamen zu ihm und sagten: Erkläre uns das Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker.

Er antwortete: Der Mann, der den guten Samen sät, ist der Menschensohn; der Acker ist die Welt; der gute Samen, das sind die Söhne des Reiches; das Unkraut sind die Söhne des Bösen; der Feind, der es gesät hat, ist der Teufel; die Ernte ist das Ende der Welt; die Arbeiter bei dieser Ernte sind die Engel.

Wie nun das Unkraut aufgesammelt und im Feuer verbrannt wird, so wird es auch am Ende der Welt sein: Der Menschensohn wird seine Engel aussenden und sie werden aus seinem Reich alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten haben, und werden sie in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen.

Dann werden die Gerechten im Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten. Wer Ohren hat, der höre!

Die Rede Jesu endet ohne eine Entlassung. Jesus geht mit seinen Jüngern weg. Mit ihnen spricht er noch einmal über das Gesagte und legt es ihnen aus.
An die Jünger ist dann auch die folgenden Gleichnisse gerichtet:

13,44-46 Die Gleichnisse vom Schatz und von der Perle

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker.

Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte sie.

13,47-50 Das Gleichnis vom Fischnetz

Weiter ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Netz, das man ins Meer warf, um Fische aller Art zu fangen. Als es voll war, zogen es die Fischer ans Ufer; sie setzten sich, lasen die guten Fische aus und legten sie in Körbe, die schlechten aber warfen sie weg.

So wird es auch am Ende der Welt sein: Die Engel werden kommen und die Bösen von den Gerechten trennen und in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen.

13,51-52 Worte an die Jünger

Habt ihr das alles verstanden? Sie antworteten: Ja.

Da sagte er zu ihnen: Jeder Schriftgelehrte also, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist, gleicht einem Hausherrn, der aus seinem reichen Vorrat Neues und Altes hervorholt.

13,53-58 Jesus in Nazaret

Als Jesus diese Gleichnisse beendet hatte, zog er weiter.

Jesus kam in seine Heimatstadt und lehrte die Menschen dort in der Synagoge.

Da staunten alle und sagten: Woher hat er diese Weisheit und die Kraft, Wunder zu tun? Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria und sind nicht Jakobus, Josef, Simon und Judas seine Brüder? Leben nicht alle seine Schwestern unter uns? Woher also hat er das alles?

Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab. Da sagte Jesus zu ihnen: Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat und in seiner Familie. Und wegen ihres Unglaubens tat er dort nur wenige Wunder.

14,13-21 - Gebt ihr ihnen zu essen!

Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen und heilte die Kranken, die bei ihnen waren. Er sagte zu den Jüngern: Gebt ihr ihnen zu essen! Die Jünger antworteten: Wir haben nur fünf Brote und zwei Fische bei uns. Jesus sprach den Lobpreis, brach die Brote und gab sie den Jüngern; die Jünger aber gaben sie den Leuten, und alle aßen und wurden satt.

Gott ist ein menschenfreundlicher Gott. Er hat Mitleid mit den Menschen. Davon kündet schon der Prophet Jesaja in der ersten Lesung des heutigen Sonntags (Jes 55,1-3). Gott ruft seinem Volk zu: „Auf, ihr Durstigen, kommt alle zum Wasser! Kauft Getreide, und eßt, kommt und kauft ohne Geld, kauft Wein und Milch ohne Bezahlung!“ Ganz umsonst gibt uns Gott, was wir zum Leben brauchen. Er ist nicht wie die Götter der anderen Völker, die von den Menschen mühselige Opfer fordern, die sich der Legende nach die Menschen erschaffen haben, damit sie für sie sorgen und ihnen Nahrung geben. Nein, Gott braucht nicht den Dienst der Menschen, um zu überleben. Er ist in sich vollkommen. Aus reiner Liebe hat er den Menschen geschaffen, nicht damit er von den Menschen etwas bekommt, sondern damit er selbst den Menschen beschenken kann. Das einzige, was Gott vom Menschen erwartet ist, dass er seinen Geboten folgt, Geboten, die den Menschen nicht fesseln wollen, sondern ihm im Gegenteil ein Leben in wahrer Freiheit ermöglichen.
Doch schon immer macht sich der Mensch lieber zum Sklaven, weil er nach einer falschen Freiheit sucht, einer vermeintlichen Freiheit, die ihn in immer größere Abhängigkeiten verstrickt. Anstatt umsonst von Gott das Lebensnotwendige anzunehmen, kauft er nutzlosen Tand zu einem teuren Preis, vielleicht sogar zum Preis seines eigenen Lebens. So bringt die Gier des Menschen ihm nicht ein mehr an Leben, sondern den Tod. So sehr hat sich der Mensch in den Tod verstrickt, dass er sich selbst nicht mehr aus der Macht des Todes befreien konnte. Da hat Gott seinen Sohn gesandt, damit der Mensch wieder frei sein konnte.
In Jesus Christus wird die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes deutlich sichtbar. Jesus selbst zeigt uns, wie Gott zu den Menschen ist. Jesus hat Mitleid mit den Menschen und heilt alle von ihren Krankheiten und Leiden. Wer sich ihm anschließt, der lebt wieder neu in der Freiheit der Kinder Gottes. Als Kinder Gottes sind wir gerufen, nun selbst durch unser Leben diese Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes in der Welt sichtbar werden zu lassen.
„Gebt ihr ihnen zu essen!“ So sagt Jesus zu seinen Jüngern, als sie ihm davon berichten, dass sie die Menschenmenge, die lange der Predigt Jesu gelauscht hat, nicht hungrig nach Hause schicken können. Was sollen sie ihnen zu essen geben? Damals die Jünger Jesu und auch wir heute sind erstaunt über die Worte Jesu. Wir haben doch so wenig. Nur fünf Brote und zwei Fische. Wie sollen damit fünftausend Männer und Frauen und Kinder satt werden?
Ich kann doch nicht allen Menschen helfen. Ich habe doch nicht die Zeit und die Kraft, für alle da zu sein. So viele Menschen sind heute krank, einsam. Es gibt viele, die niemanden haben, der ihnen zuhört, der sie tröstet. Es gibt so viele arme Menschen. Hunger und Krankheit quälen unzählige in den Ländern der Dritten Welt. Auch in unserem Land gibt es viel Elend, materieller und seelischer Art. Wo soll ich anfangen zu helfen? Oder soll ich es gleich bleiben lassen, wenn ich mit meinen geringen Mitteln doch kaum helfen kann?
„Gebt ihr ihnen zu essen!“ Obwohl es aussichtslos erscheint, auch nur einen kleinen Bruchteil der großen Menschenmenge satt zu machen, fangen die Jünger auf Jesu Geheiß an, das wenige, dass sie haben, unter die Menschen auszuteilen. Doch vorher geschieht noch etwas Entscheidendes. Jesus spricht den Lobpreis über die armseligen Gaben. Er sagt dem Vater Dank für das, was die Jünger haben. Dann wird ausgeteilt. Und plötzlich ist so viel da, dass alle satt werden und dass sogar noch vieles übrig bleibt.
Das soll auch uns Mut machen, dass wir mit dem wenigen, das wir haben, dennoch mehr helfen können, als wir es uns erträumen können. Sagen wir Gott zunächst einmal Dank für das, was wir schon von ihm bekommen haben, und wenn es uns noch so jämmerlich erscheint. Und dann versuchen wir, die nächste Gelegenheit, die sich bietet, zu nutzen, um davon zu schenken. Ein freundliches Wort, ein Lächeln, eine kleine Spende, ein Besuch ... Wenn wir es in Gottes Namen tun, werden wir merken, dass wir dadurch nichts verlieren, im Gegenteil. Am Ende werden wir entdecken, dass wir sogar noch reichen Gewinn gemacht haben.
Herr Jesus, was ich habe ist doch so wenig. Es reicht nicht aus, um allen Menschen zu helfen, um alle Menschen zu trösten, um alle satt zu machen. Herr, dennoch danke ich dir für das wenige, das Du mir geschenkt hast. Hilf mir anzufangen, dieses wenige unter die Menschen zu verteilen. Mehre Du das, was ich gebe, damit aus Deiner Fülle alle Menschen gesättigt werden und das Heil erfahren, das Du uns verheißen hast.

Mt 14,22-33 - Herr, wenn Du es bist ...
Das Evangelium des heutigen Sonntags (Mt 14,22-33) ist sehr anschaulich und spannend. Es knüpft zunächst direkt an das des vergangenen Sonntags an. Jesus hat die Menschenmenge gespeist und will nun noch die Menschen verabschieden. Er wird ihnen ein gutes Wort auf den Weg mitgeben und vor allem seinen Segen. Die Jünger sollen währenddessen schon einmal vorausfahren an das andere Ufer.
Als Jesus dann allein ist, geht er auf den Berg, um in der Einsamkeit zu beten. Er braucht das vertraute Gespräch mit seinem Vater im Himmel. Deshalb wohl hat er die Jünger schon mal fortgeschickt, denn noch können sie nicht den Sinn dieses Gebetes verstehen. Erst später, wenn der Heilige Geist auf sie herabkommt, wird er sie in das vertraute Gebet des Sohnes an den Vater mit hineinnehmen.
Jesus ist in der Stille des Gebetes, doch die Jünger werden vom Wind auf dem See hin und her geworfen. Es ist uns Menschen nicht vergönnt, in der Ruhe des Gebets zu verharren. Immer wieder müssen wir uns im Trubel dieser Welt abmühen. Wir müssen uns den Aufgaben stellen, die das Leben in der Welt an uns herandrängt und das heißt auch, vielen Widrigkeiten standzuhalten.
Doch mitten in der Welt ist Jesus bei uns. Doch es wird uns oft so gehen, wie den Jüngern in dieser Stunde. Wie sie Jesus nicht erkannten, so erkennen auch wir ihn oft nicht. Ja die Jünger schrien sogar vor Angst, weil sie meinten, auf dem Wasser ein Gespenst zu sehen. Das ist ja auch gar nicht verwunderlich. Wie konnten sie damit rechnen, dass Jesus über das Wasser zu ihnen kommt. Wie mag das ausgesehen haben, eine Gestalt auf dem See, mitten in der Finsternis der Nacht.
Doch es ist Jesus. Er sagt ihnen: „Habt Vertrauen, ich bin es, fürchtet euch nicht.“ Aber das genügt den Jüngern nicht. Wie erst sollen wir Jesus erkennen, wenn ihn selbst die Jünger, die ihn leibhaft vor sich sehen, nicht erkennen? Petrus macht die Probe. „Herr, wenn du es bist, dann befiehl, dass ich auf dem Wasser zu dir komme.“ Und Jesus sagt: „Komm!“ Doch schon bald verliert Petrus das Vertrauen in seinen Übermut. Wind, Wasser, Wellen, all das lässt ihn wanken und er geht unter. Doch nun erkennt er, dass es wirklich Jesus ist: Sofort streckt Jesus seine Hand aus, um ihn zu retten.
So können auch wir erkennen, auf wen wir unser Vertrauen setzen. Wir erkennen Jesus daran, dass er uns in keiner Situation untergehen lässt. Mögen uns auch noch so heftige Stürme beuteln und scheint die Not noch so groß zu sein und meinen wir darin zu versinken, Jesus wird uns seine Hand reichen, um uns zu retten.
Dann ist es an uns, die Größe des Herrn anzuerkennen und ihn anzubeten, so wie es Petrus getan hat: „Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn.“
Herr, wenn du es bist ...
Herr, hilf mir glauben, laß mich dir ganz vertrauen,
auch wenn es noch so stürmt, wenn ich noch so tief zu sinken scheine,
Herr, du bist bei mir, du nimmst mich an der Hand,
Herr, ich weiß, du rettest mich.
Denn du allein bist Gottes Sohn, Jesus Christus, der Retter der Welt.

Mt 15,21-28 – Alle? – Alle!
Das Evangelium des heutigen Tages ist für mich schon immer befremdlich. Es schildert die Begegnung Jesu mit einer heidnischen Frau, genau gesagt einer Kanaanäerin. Sie bittet Jesus um die Heilung ihrer Tochter, doch Jesus weist sie ab. „Nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel bin ich gesandt.“ Doch als sie ihn inständig und demütig anfleht „Herr, hilf mir!“ läßt sich Jesus doch dazu überreden, ihre Tochter zu heilen.
Zwei Aspekte möchte ich in diesem Evangelium beleuchten, der eine ist das Verhältnis Jesu zu den Heiden und der andere ist, wie Gott sich doch immer wieder umstimmen läßt, wenn es um das Heil des Menschen geht.
Das Volk Israel lebte inmitten einer heidnischen Umwelt. Durch die Befolgung der Gebote Gottes, die es beim Bundesschluß am Sinai erhalten hat, unterscheidet es sich von allen anderen Völkern. Israel war sich seines Erwähltseins bewußt. Nur Israel verehrte den wahren und einzigen Gott, gegenüber dem die Götter der anderen Völker nichts waren. Es war nicht so wie bei anderen Völkern, die zwar fremde Götter gelten ließen, deren eigene Götter sich aber durch ihren Sieg als überlegen und mächtiger auswiesen, nein, die anderen Götter waren für Israel nicht nur schwach, sondern es gab sie überhaupt nicht.
Immer wieder hat Israel darum gekämpft, die Vermischung mit dem Götzendienst der anderen Völker zu bekämpfen, doch die fremden Kulte mit ihren oft berauschenden Riten übten zu allen Zeiten ihre Anziehungskraft auf die Bewohner Israels aus. Die Fremdvölker stellten also nicht nur eine politische, sondern auch eine religiöse Gefahr dar. In Israel war man daher immer bemüht, deren Einfluß zurückzudrängen.
Israel selbst war nicht missionarisch. Der Glaube Israels wurde durch Geburt und nicht durch Bekehrung weitergegeben. Nur in begrenztem Maße war es Nichtjuden möglich, Juden zu werden. Dennoch klingt bei den Propheten immer wieder an, dass der Glaube Israels eine Bedeutung hat, die über das Volk Israel hinausgeht. Irgendwann einmal werden alle Völker zum Tempel des Gottes Israels pilgern und nach den Geboten des Gottes Israels leben. „Mein Haus wird ein Haus des Gebets für alle Völker genannt.“ So heißt es beim Propheten Jesaja (56,7). Die anderen Völker sollten durch Israel das Heil erlangen. Wenn jeder Israelit sich ganz an die Gebote Gottes hält und vor allem auch den Sabbat genau beachtet, dann wird der Messias kommen und sein Friedensreich von Israel aus über die ganze Erde errichten.
Jesus ist dieser Messias. Wenn Israel sich durch ihn zu Gott bekehrt, wird dies das Heil der ganzen Welt bedeuten. Daher will Jesus zuerst Israel den Weg des Glaubens zeigen, damit das erwählte Volk seiner Erwählung gemäß lebt. Doch Israel erkennt den Messias nicht. Da Israel den Messias verwirft, geht Gott einen anderen Weg. Alle Menschen sollen nun von dem einen, einzigen und wahren Gott erfahren, sich bekehren und so das Heil erlangen.
Nun können wir verstehen, warum Jesus sich zunächst so abweisend der Frau gegenüber verhält. Doch obwohl Jesus es grundsätzlich ablehnt, Wunder und Heilungen auch an Heiden zu wirken, macht er doch Ausnahmen. Jesus kann die Bitte der heidnischen Frau, die ihn so innig anfleht, nicht zurückweisen. Für Gott gibt es nämlich einen höheren Grundsatz, der da lautet, dass alle Menschen das Heil erlangen sollen. "Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen."
So wie Jesus die heidnische Frau erhört, so wird er auch jeden von uns erhören, der ihn inständig bittet. In diesem Vertrauen dürfen wir uns immer an Jesus wenden. Gott will, dass alle Menschen gerettet werden, Gott will unser Heil. Aber er kann uns das Heil nicht ohne unseren Willen schenken. Bitten wir Gott inständig darum.

Mt 16,13-20, Die Kirche lieben
In jener Zeit, als Jesus in das Gebiet von Cäsarea Philippi kam, fragte er seine Jünger: Für wen halten die Leute den Menschensohn? Sie sagten: Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elija, wieder andere für Jeremia oder sonst einen Propheten. Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes! Jesus sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage die: Du bist Petrus - der Fels -, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein. Dann befahl er den Jüngern, niemand zu sagen, dass er der Messias sei.
Wie ist das mit Jesus? Wie ist das mit der Kirche? Brauche ich die Kirche, um Jesus zu finden? Kann sich nicht jeder sein eigenes Bild von Jesus machen, jeder kann doch die Bibel lesen ...
Für wen halten die Leute den Menschensohn? Diese Frage hat bis heute nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Die Menschen damals haben Jesus mit einem der Propheten in Zusammenhang gebracht. Heute halten manche Jesus einfach für einen besonders guten Menschen, für einen besonders weisen Menschen, einen Religionsgründer, wie es sie auch in anderen Religionen gibt, wie zum Beispiel Buddha oder Mohamed. Oder Jesus wird zum Sozialreformer, zum Kämpfer für die Armen. Man könnte die Liste wohl unbegrenzt erweitern.
Jesus fragt seine Jünger: Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Und Petrus antwortet: Du bist der Sohn Gottes. Jesus ist Gott und Gottes Sohn. Alle anderen Antworten, die in Jesus nur einen besonderen Menschen sehen, greifen zu kurz. Wer Jesus das Gottsein abspricht, wird ihm nicht gerecht. Was es aber bedeutet, dass Jesus Gott ist und Gottes Sohn, der auf Erden Mensch geworden ist, das ist ein Geheimnis, über das die Menschen zu allen Zeiten nachgedacht und auch gestritten haben.
Wenn man also eh nicht so genau weiß, was es mit diesem Jesus auf sich hat, der vor 2000 Jahren hier auf Erden gelebt haben soll, kann man dann nicht doch jedem sein eigenes Jesusbild machen lassen? Im heutigen Evangelium meine ich zu lesen, dass Jesus selbst es anders gewollt hat. Petrus hat im Namen aller Apostel das Bekenntnis zu Jesus als dem Sohn Gottes abgelegt. Jesus antwortet ihm darauf: Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Du bist Petrus - der Fels -, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.
Die Offenbarung Gottes wird also nicht von jedem Menschen eigenmächtig ausgelegt, sondern Gott selbst bestellt Menschen, die in seinem Namen das sagen, was Gott gesagt haben will. So ist es Petrus, der im Namen aller und im Auftrag Gottes Zeugnis für Jesus ablegt. Und dann bringt Jesus noch die Kirche ins Spiel. Auf Petrus als den verlässlichen, von Gott eingesetzten Zeugen, baut Christus seine Kirche auf, die durch nichts erschüttert werden kann. So ist die Kirche der Garant für die wahrheitsgemäße Vermittlung der Offenbarung Gottes. Gott beruft in dieser seiner Kirche immer wieder Menschen, die in seinem Namen von der Wahrheit Zeugnis geben.
Da kann man wieder einwenden, dass die Kirche doch aus vielen fehlerhaften Menschen besteht und dass durch die Kirche auch schon so viel Unrecht geschehen ist. Ohne Zweifel, die Kirche besteht aus Menschen mit ihren Fehlern. Aber doch ist die Kirche mehr als die Menschen in ihr. Die Kirche ist die Braut Christi, die er sich angetraut hat. Daher liebt Christus die Kirche und führt sie durch alle Schwierigkeiten hindurch. Er beruft immer wieder Menschen, die die Fehler anderer wieder gut machen, so weit das eben möglich ist. Daher ist die Kirche als ganze heilig und kann auf Dauer nicht irren.
Jesus liebt seine Kirche. Er will, dass auch wir die Kirche lieben, dass wir zu ihr halten, trotz aller Fehler, die wir in ihr sehen. Jesus will, dass wir in Einheit stehen mit dem Nachfolger des Apostels Petrus, dem Papst in Rom. Wenn wir in Liebe mit der Kirche verbunden sind und auf sie hören, dann erfahren wir auch die Wahrheit darüber, wer Jesus Christus ist.

Mt 16,21-27 – Von Gott verführt
„Du, Herr, hast mich verführt und ich habe mich verführen lassen.“ Dieser Satz aus dem Propheten Jeremia (20,7 - siehe Bild) soll das Leitthema dieses Sonntags sein. Der Prophet Jeremia spricht diesen Satz, als er sich in der größten Not von allen Menschen verlassen fühlt und wegen seines Dienstes für Gott von den Menschen geschmäht wird. Was hat er mit dem heutigen Evangelium (Mt 16,21-27) zu tun?
Drei wichtige Dinge geschehen im heutigen Evangelium. Zunächst kündigt Jesus an, dass er nach Jerusalem gehen müsse, um dort zu leiden und zu sterben. Dem stellt sich sogleich Petrus entgegen und sagt: „Das soll Gott verhüten!“ Doch Jesus weist ihn, den er noch kurze Zeit vorher „in den Himmel gelobt“ hat, mit harten Worten zurecht: „Satan, geh mir aus den Augen!“ Dann richtet sich Jesus an alle Jünger und auch an uns:
„Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.“
Diese Worte Jesu sind eindeutig und radikal. Wer Jesus nachfolgen will, muß bis zum äußersten bereit sein. Er riskiert dabei sogar sein Leben. Doch Jesus verlangt nicht mehr als das, was er selbst gelebt hat. Sein Weg auf Erden hat ihn ans Kreuz geführt.
Sicher denken wir auch wie Petrus: Das soll Gott verhüten. Das ist ja geradezu brutal, unmenschlich. Das kann Gott doch nicht verlangen. Wie Petrus damals, so sind auch wir oft noch nicht bereit für das, was Jesus von uns will. Wir hängen an dieser Welt, denken noch zu sehr in den Kategorien dieser Welt. Langes Leben, Gesundheit, Wohlergehen, das ist uns wichtig. Es kann doch auch so schön sein auf dieser Welt.
Doch alles Irdische ist vergänglich. Die schönsten Momente dauern nicht ewig. Man kann nichts festhalten auf dieser Welt. Was wirklich zählt ist zu leben, zu leben wie Gott es will. Doch was bedeutet dies? Es bedeutet nicht, dass jeder Christ wie ein Bettler leben soll. Auch der Christ muss sich in dieser Welt betätigen, ja er soll seine Fähigkeiten einsetzen, um am Aufbau der Gesellschaft mitzuwirken. Das steht außer Frage. Doch Gott will, dass diese Welt nicht das letzte Ziel für uns bleibt. Worauf es wirklich ankommt, ist bereit zu sein für das Reich Gottes. Das ist der Maßstab, nach dem unser Handeln gemessen wird.
Was aber befähigt den Menschen zu der Bereitschaft, Jesus nachzufolgen, für das Reich Gottes zu arbeiten und dann sogar, wenn es nötig ist, alles für Christus herzugeben? Es ist nichts anderes als das, was Jesus dazu bereit gemacht hat, für uns Menschen zu sterben: die Liebe.
Gott will uns verführen. Er will uns das ewige Leben „schmackhaft“ machen. Die Nachfolge Christi ist keine fade Angelegenheit, keine Sache für Menschen, die es sonst im Leben zu nichts gebracht haben. Die Nachfolge Christi ist eine Herausforderung, ein Liebesspiel der ganz besonderen Art für Menschen, die das Leben suchen. Gott will den Menschen für sich gewinnen. Der Mensch soll erkennen, dass er bei Gott mehr findet, als die Welt ihm zu bieten hat. Gott allein kann den Lebens- und Liebeshunger des Menschen stillen.
Gott hat aber Mühe damit, dies den Menschen verständlich zu machen. Für viele ist das, was sie konkret vor sich haben, viel wichtiger als ein Gott der sich doch so ganz im Verborgenen hält. Die Verführungen des Satans sind viel konkreter und sprechen den Menschen mehr an, als die zarten Verführungen Gottes.
Wenn ein Mensch sich aber einläßt auf das Werben Gottes, wenn er sich einläßt auf das Liebesabenteuer mit Gott, dann wird er erkennen, was Jesus uns heute sagen möchte. Für Petrus war es ein weiter Weg, bis er erkannt hat, was Jesus wirklich wollte, für jeden Menschen ist es ein weiter Weg, den Willen Gottes zu erkennen. Dieser Weg dauert ein ganzes Leben lang. Es ist ein Weg mit Höhen und Tiefen, wie sie jede Liebesbeziehung mit sich bringt. Am Anfang steht ein Ja zu Gott. Ja, Gott, ich will lernen zu leben, ich will lernen zu lieben. Gott verführe mich und führe mich auf diesem Weg.

Mt 18,15-20 – Heilsame Worte
Die Texte des heutigen Sonntags sind diesmal sehr alltagsbezogen. Der Prophet Ezechiel in der ersten Lesung und Jesus im Evangelium reden davon, was zu tun ist, wenn wir sehen, dass ein Mensch aus unserem Bekanntenkreis einen Fehler macht. Wenn ich darüber nachdenke, was normalerweise geschieht, ist es doch oft so, dass da erst einmal hinter dem Rücken des Betreffenden viel geredet wird. „Schaut den da an, was hat der denn wieder gemacht. Nein, unerhört so etwas.“ Jedem wird solches Reden bekannt sein und auch ich selbst ertappe mich manchmal dabei. Es ist wohl leichter, ÜBER jemanden zu reden, als MIT jemandem.
Aber genau das MIT-einander möchte Jesus. Wenn wir bei jemandem einen Fehler feststellen, sollen wir es erst einmal ihm selbst sagen. Manchmal merkt ja einer selbst nicht, was er für einen Blödsinn verzapft hat und ist dankbar für einen warnenden Hinweis. Dabei kommt es natürlich auch darauf an, wie man etwas sagt und um was es sich dabei genau handelt. Manche Menschen sind dankbar für solche Hinweise, andere nicht. Schwerere Vergehen müssen natürlich vor anderen Instanzen geahndet werden und gegebenenfalls zur Anzeige gebracht werden. Das ist auch klar. Mir geht es aber hier in erster Line darum, darauf hinzuweisen, dass es zur Pflicht eines Christen gehört, Fehler und Mißstände offen anzusprechen und nicht hinten herum zu reden. Ich weiß selbst, wie schwer das ist, und darum ist das Wort Jesu heute wieder ein Ansporn, daran arbeiten.
Einen passenden Text dazu habe ich bei Gregor dem Grossen gefunden: „Wer mehr, als gut ist, schweigt, soll bedenken, dass er, wenn er den Nächsten liebt wie sich selbst, durchaus nicht schweigen soll gegenüber einem Unrecht, das er an einem anderen zurecht mißbilligt. Das gesprochene Wort wird zum Medikament und leistet einen heilsamen Dienst. Diejenigen aber, die das heilende Wort zurückhalten und schweigen, verhalten sich gerade so wie Leute, die Krankheiten erkennen, aber sich heimlich dem Gebrauch der Heilmittel entziehen und so schließlich den Tod dadurch verursachen, weil sie die Heilmittel verweigern, die Heilung bringen konnten.“
Was Jesus wichtig ist, ist die Einheit unter den Menschen. Jesus sagt das schöne Wort:
„Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“
Dazu eine kurze Geschichte:
„Meister“, fragen die Jünger, „der Herr hat doch gesagt: Bittet, und ihr werdet empfangen!“ – warum erhalten wir so wenig im Gebet?“ Der Meister antwortet: „Der einzelne ist ein Abgrund, und wenn Gott die schönsten Gaben in den Abgrund wirft, so verschwinden sie, wir nehmen sie nicht wahr. Wir müssen ein Netz spannen, um Gottes Gaben aufzufangen. Es ist das Netz der Eintracht und der Liebe. Wenn wir einmütig um etwas bitten, wenn die Fäden des Netzes fest zwischen uns gespannt sind, dann werden wir erhalten.“
Herr, gib mir zur rechten Zeit einen Menschen, der mir die Wahrheit in Liebe sagt.

Mt 20,1-16 – Was ist gerecht?
Gott ist gerecht, so sagt man und das ist auch so. Menschen aber haben immer wieder Probleme damit, zu beurteilen, was gerecht ist. Bedeutet Gerechtigkeit, dass jeder das gleiche bekommt?
Wir hören heute das schöne Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Zunächst sind sie wirklich alle gleich: Alle sind arbeitslos und müssen fürchten, dass sie dann, wenn sie keine Arbeit finden, am Abend kein Geld haben und ihre Familie nicht ernähren können. Alle leben mehr oder weniger von der Hand im Mund und verdienen jeden Tag nur so viel, dass es gerade reicht – wenn sie etwas verdienen.
Arbeit in Aussicht. Da kommt einer der Gutsbesitzer. Wen wird er mitnehmen? Die ersten, die angeworben werden, können sich glücklich schätzen, sie haben Arbeit. Die anderen müssen warten, auf den nächsten, der kommt – wenn denn einer kommt.
Es gibt viel zu tun im Weinberg. Die Arbeiter mühen sich ab, aber es braucht mehr Arbeiter, wenn der Weinberg am Abend in Ordnung sein soll. So wirbt der Gutsbesitzer immer wieder neue Arbeiter an, ja sogar eine Stunde vor Feierabend, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, holt er nochmal welche. Das kommt selten vor, zu so später Stunde noch Arbeit zu finden. Erleichtert machen sie sich an die Arbeit.
Der Lohn ist am Ende für alle gleich. Der Tageslohn für Tagelöhner ist immer gleich. Ein Denar. Nicht mehr und nicht weniger. Wer mehr verdienen würde, wäre überbezahlt, wer weniger verdienen würde, der könnte davon nicht leben.
Ist das gerecht? Könnte man nicht sagen, am einen Tag hat halt der eine Glück und verdient mehr, am anderen Tag der andere? Bezahlt wird nach Arbeitsleistung. Das wäre nach heutigen Maßstäben sicher gerecht. Jesus will aber mit dem Gleichnis keine Anleitung zum erfolgreichen Wirtschaften geben. Jesus spricht auch nicht von einem weiteren Tag, an dem die Arbeiter wieder ihr Glück versuchen könnten. Für einen Tagelöhner zählt immer nur der eine Tag.
Versuchen wir uns mal vom Geld zu lösen. Vielleicht können wir sagen, dass Jesus meint, dass jeder Mensch das bekommt, was er braucht, um glücklich zu sein? Jeder Mensch hat in seinem Leben die Möglichkeit, glücklich zu sein. Es gibt Höhen und Tiefen, mal bin ich bei den Ersten, mal bei den Letzten und denke, jetzt ist alles aus. Doch im letzten Moment kommt einer ... Das ist etwas, worauf wir bei Gott vertrauen dürfen, dass er uns nicht vergißt, dass er uns nicht stehen lässt mit unseren Sorgen und Nöten.
Es gibt nur einen Tag, es gibt nur ein Leben. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott uns aufnimmt in sein Reich, wenn wir für ihn gearbeitet haben, wenn wir ihn einfach als unseren Gott anerkannt haben und von ihm haben lieben lassen als seine Kinder.
Mt 21,28-32 – Ja oder Nein
Ja oder Nein. Immer wieder muss jeder sich im Leben entscheiden. Ein vielleicht zählt nicht, das wäre ein feiger Lückenbüßer, der die Lücke füllt, bis die Entscheidung unausweichlich ansteht. Entscheidungen fällen, Entscheidungen durchtragen, beides ist wichtig, zu dem stehen, was ich gesagt habe und vor allem: verlässlich sein, andere nicht täuschen, nicht heuchlerisch sein und sich nicht bei anderen einschmeicheln. All das steckt im heutigen Evangelium.
Es geht da um zwei Söhne. Zu jedem der beiden sagt der Vater: „Geh und arbeite heute im Weinberg!“ Der erste sagt. „Ja!“ aber dann geht er doch nicht hin. Der zweite hat erst mal keine Lust und sagt unumwunden dem Vater sein „Nein“ ins Gesicht. Aber dann reut es ihn, und er geht doch.
Jesus erzählt dieses Gleichnis den Hohenpriestern und Ältesten und will ihnen damit sagen: Ihr seid wie der erste Sohn, ihr steht an erster Stelle, wenn es um die Religion geht, aber nur um selber gut dazustehen und nicht weil es euch um Gott geht. Ihr tut oft nicht das, was Gott von euch will. Daher kommen Zöllner und Sünder eher in das Reich Gottes als ihr. Denn sie sagen zwar ganz unumwunden, dass sie mit der Religion nicht viel am Hut haben, aber innen drinnen können sie doch gute Menschen sein und das Gute tun, das Gott will.
Ich denke, jeder kennt das. Es gibt Menschen, die stellen sich gerne in den Vordergrund, die wollen allen klar machen, wie toll sie sind, was sie alles leisten, besonders auch, um so vor ihren Vorgesetzten gut dazustehen. Ja, mach ich, natürlich, ich bin doch immer für sie da ... Doch sie sind oft nur dann aktiv, wenn sie auch gesehen werden und ihnen die Anerkennung für eine Arbeit sicher ist. Die unscheinbarere Arbeit überlassen sie gern anderen. Schleimer nennt man solche Leute auch.
Dann gibt es andere, die stellen sich nicht in den Vordergrund. Aber gerade weil sie auch dort gute Arbeit leisten, wo es niemand sieht, halten sie den Betrieb am Laufen. Und doch gehen sie oft leer aus, wenn es um Dank und Anerkennung geht, weil die Menschen eben zu sehr auf das Äußere sehen und die Prahler eben einmal mehr auffallen als die stillen Treuen.
Bei Gott aber ist das nicht so. Er kennt das Herz des Menschen. Er weiß genau, aus welchen Beweggründen einer etwas tut, um nur selber gut dazustehen, oder weil es ihm wirklich um die Sache an sich geht. Bei Gott kann sich so keiner einschmeicheln. Er sieht, ob ein Mensch wirklich fromm ist, oder nur dann, wenn andere es sehen.
Ja oder Nein. Was wollen wir wirklich? Gehe ich in Gottes Weinberg zur Arbeit, weil es mir um Jesus und um die Menschen geht? Oder ist mir mein eigenes Ansehen wichtiger als alles andere? Die Entscheidung liegt ganz bei mir.

Mt 21,33-44 – Anvertraut
Wieder hören wir heute von Jesus ein Gleichnis, bei dem es um einen Weinberg geht. Sehr schön sehen wir die einzelnen Szenen des Gleichnisses von den Bösen Winzern im Codex Aureus abgebildet. Da ist zunächst der Besitzer des Weinbergs zu sehen, wie er seinen Weinberg Verwaltern anvertraut. Doch diese hintergehen ihren Herrn und wollen den Profit des Weinbergs für sich behalten. Die Diener, die der Herr schickt, um seinen Anteil zu erhalten, werden von der Verwaltern brutal ermordet. Selbst der einzige Sohn des Besitzers, der künftige Erbe, wird von ihnen getötet, in der Hoffnung, dass der Weinberg nun ihnen gehört. Doch Jesus sagt deutlich, dass sie mit ihrer Bosheit keinen Erfolg haben werden. Der Herr des Weinbergs ist stärker als sie und wird ihnen die gerechte Strafe zukommen lassen.
Das Gleichnis zeichnet ein Bild von dem, wozu Menschen in ihrer Gier fähig sind. Immer wieder neigen die Menschen dazu, mehr haben zu wollen, zusammenzuraffen, den eigenen Vorteil zu suchen auf Kosten der Schwächeren. Ja selbst Glaube und Kirche werden immer wieder von Heuchlern mißbraucht, um unter dem Schein der Frömmigkeit Profit zu machen.
Doch wir brauchen nicht nur auf die großen Delikte sehen. Dann hätte uns das Gleichnis ja vielleicht nicht viel zu sagen. Wenn wir es recht bedenken, ist doch alles, was wir haben, uns nur anvertraut. Die Erde hat Gott geschaffen und den Menschen übergeben. Der Mensch soll sie verantwortungsvoll nutzen. Vor allem soll er nicht vergessen, dem Schöpfer seinen Anteil zu geben.
Die Menschen früherer Zeiten haben Gott Opfer von den besten Erträgen der Erde gebracht. Wir wissen, dass Gott keine Nahrung von uns braucht. Was aber Gott von uns will ist, dass wir uns immer bewusst sind, dass alles, was wir haben, letztlich ein Geschenk von ihm ist. Er möchte, dass wir ihm dafür Ehre und Dank erweisen. Der Dank an Gott geht soweit, dass wir bereit sind, ihm alles wieder zu geben. Er wird es uns ja nicht nehmen, sondern uns noch viel mehr beschenken. Doch wir wollen festhalten, anstatt loszulassen und riskieren dadurch, alles zu verlieren.
In seinem Roman Las Casas vor Karl V. zeigt Reinhold Schneider, wie die Menschen zur Zeit der spanischen Eroberungen in Südamerika von der Gier nach Reichtümern so besessen waren, dass sie schier über Leichen gingen. Um die Schätze Westindiens auszuplündern, war ihnen jedes Mittel recht. Schlimm ist auch, dass dies alles unter dem Deckmantel der angeblichen Bekehrung der Indios geschah. Doch wie wollen die, die selbst den Glauben nur nach Schein und eigenem Gutdünken und nicht gemäß Gottes Willen haben, andere bekehren? Sehr tief geht daher das Wort Reinhold Schneiders am Ende seines Romans und ich meine, dass es für die Menschen aller Zeiten gilt und auch teilweise das trifft, was uns Jesus im heutigen Gleichnis sagen will:
„Daran liegt es ja nicht, dass wir die Welt mit dem Kreuze durchdringen; sondern es liegt alles daran, dass wir über unserer Mühe von ihm durchdrungen werden.“

Mt 22,1-10 - Und der Festsaal füllte sich mit Gästen ...
Man möchte doch meinen, dass die Ehre, bei einem König zu einem Festmahl eingeladen zu sein, jeden Menschen freut und dass die Teilnahme daran höchste Priorität hat. Doch im heutigen Gleichnis geschieht genau das Gegenteil. Alle eingeladenen Gäste lassen sich entschuldigen. Sie wollen nicht kommen. Ihre Alltagsarbeit ist ihnen wichtiger. Der eine geht auf seinen Acker, der andere in seinen Laden.
Wir kennen dies. So vieles ist zu erledigen, so kurz die freie Zeit, die bleibt. Jesus will ja auch nicht die Notwendigkeit der alltäglichen Arbeit anzweifeln. Aber für die Teilnahme am Festmahl eines Königs - dafür könnte der Alltag doch einige Zeit ruhen.
Ist die Heilige Messe am Sonntag für uns so etwas wie das Festmahl eines Königs? Oder ist sie nur eine lästige Pflicht, wo man halt hingeht, wenn man gerade mal Lust hat und nichts besseres vor hat? Oder verstehen wir ihre Bedeutung überhaupt nicht mehr, so dass man am besten einfach garnicht hingeht. Es sind ja eh nur komische Menschen dort. Um gut zu Leben brauche ich doch die Kirche nicht. Wir kennen diese Aussagen.
Mir tut es in der Seele weh, dass so viele Menschen nicht verstehen, welch große Gnade doch die Heilige Messe ist. An ihr teilnehmen zu dürfen, ist eine größere Ehre als die Einladung bei irgendeinem Prominenten. Sie ist ein Geschenk Gottes an uns, das uns Freude machen soll.
Die Bedeutung der Heiligen Messe werden wir nicht ergründen, wenn wir in ihr einen Event sehen, wenn wir immer erwarten, besonders angesprochen zu werden oder immer etwas neues geboten zu bekommen. So wichtig das Reden und Handeln des Priesters ist, wir müssen letztlich durch seine Person hindurch auf Christus blicken.
Wir werden die Bedeutung der Heiligen Messe auch nie ergründen, wenn wir nur auf die anderen Menschen sehen, die dort sind, wenngleich es natürlich schön ist, sich in der Kirche zuhause zu fühlen und Freunde und Bekannte dort zu sehen.
Die Heilige Messe werden wir nur dann anfangen zu verstehen, wenn wir in ihr die Begegnung mit Gott, mit Jesus Christus, suchen. Dies geschieht durch das Reden und Tun des Priesters, durch die Gemeinschaft der Gläubigen, aber ganz besonders auch durch das innere Gebet im Herzen jedes Menschen. Wir müssen unsere Gedanken, unser Herz, ganz auf Gott richten. Wir dürfen ihn Loben, wir dürfen sein Wort hören, ja wir dürfen ihn selbst sehen und empfangen im Geheimnis der Eucharistie. Wenn wir anfangen, uns in dieses Geheimnis zu vertiefen, wenn wir anfangen, mit Gott eins zu werden, dann wird jede Heilige Messe für uns zur Quelle und zum Höhepunkt unseres Lebens. Sie führt uns zur Mitte unseres Lebens und gibt uns neue Kraft für unseren Alltag, so dass wir das, was zu tun ist, noch besser tun können.
Wäre es angesichts der Tatsache, dass sich heute so viele vom Festmahl des Herrn entschuldigen, nicht an der Zeit, neue Menschen einzuladen, die sich bisher nicht dazugehörig fühlten? Wie schön wäre es zu erleben, dass sich unsere Kirchen wieder mit Menschen füllen. Bitten wir den Herrn darum und tun wir das unsere dazu. Gehen wir auf die Straßen hinaus und holen wir alle zusammen, die wir treffen.

22,15-21 - Gebt Gott was Gott gehört
Immerfort empfange ich mich aus deiner Hand. Das ist meine Wahrheit und meine Freude. Immerfort blickt mich dein Auge an und ich lebe aus deinem Blick des Erbarmens, du mein Schöpfer und mein Heil. Lehre mich in der Stille deiner Gegenwart das Geheimnis verstehen, dass ich bin. Und dass ich bin durch dich und vor dir und für dich. (Romano Guardini)
Was hat dieser Spruch von Romano Guardini mit dem heutigen Evangelium zu tun? Wir hören heute, wie die Gegner versuchen, Jesus eine Falle zu stellen. „Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht?“
Dazu muß man wissen, dass die römische Besatzungsmacht, die die Steuern einforderte, das Finanzmonopol hatte. Daher war die Steuermünze, der Denar, mit dem Bild des Kaiser versehen und trug eine Aufschrift, in der eben dieser Kaiser als göttlich bezeichnet wird. Für fromme Juden war das eine abgrundtiefe Gotteslästerung.
Das ist die Falle, in die sie meinten, Jesus gelockt zu haben. Würde er sagen, natürlich müßt ihr dem Kaiser Steuern zahlen, so hätten sie ihm vorwerfen können, dass er auf auf der Seite der Gotteslästerer steht, da er dem Anspruch des „göttlichen“ Kaisers zustimmt. Würde er aber sagen, nein, als wahre Juden müßt ihr euch gegen den Götzenkult des Kaisers stellen und dürft auch sein Geld nicht gebrauchen, dann hätten sie ihn bei den Römern wegen Aufruhrs anklagen können.
Doch Jesus geht wie immer mitten hindurch. Er will, dass sie sich den Denar genau ansehen. Da sind Bild und Aufschrift des Kaisers darauf. Also gehört das Geld dem Kaiser und er darf es zurecht als Steuer erheben. Mehr noch. Jesus beschämt zugleich seine Gegner, indem er ihnen zeigt, das das Geld nichts mit dem Glauben zu tun hat. Dem Kaiser Steuern zu zahlen ist eine rein irdische Pflicht. Worauf es aber im Leben ankommt ist etwas ganz anderes. Es kommt darauf an, Gott zu geben, was Gott gehört.
Wie es der Spruch von Romano Guardini schön zum Ausdruck bringt, gehören wir selbst ganz Gott, weil alles, was wir sind und haben, ein Geschenk Gottes ist. Daher liegt es an uns, dass wir uns selbst ihm ganz schenken, indem wir seinen Willen tun. Das ist natürlich etwas ganz anderes, als das oberflächliche hantieren mit Geld.
Angesichts der derzeitigen Finanzkrise sagte Papst Benedikt XVI.: Wir sehen nun, beim Zusammenbruch der großen Banken, dass das Geld verschwindet, dass es nichts ist. Wer nur auf die sichtbaren und fassbaren Dinge baut, auf den Erfolg, seine Karriere, sein Geld, der baut auf Sand. Dies alles wirkt so real, wird aber eines Tages verschwinden. Ein wahrer Realist ist daher, wer auf das Wort Gottes baut.
Genau das, will uns Jesus sagen. Seine Gegner schauen zu sehr auf das Äußere. Genau so, wie er ihre oft rein äußerliche Erfüllung der Gebote kritisiert, so kritisiert er nun ihren Umgang mit dem Geld. Weil ihr allein auf Äußerlichkeiten Wert legt, deshalb kann auch das Geld eine solche Macht über euch haben.
Wichtiger ist es, was im Menschen geschieht, das Innere muß sich nach außen hin Ausdruck verschaffen. Die Erfüllung der Gebote ist keine rein äußerliche Pflichterfüllung, sondern muß ein Herzensanliegen sein. Wenn die innere Haltung, auch dem Geld gegenüber, stimmt, wenn man es nicht vergöttlicht, sondern als notwendigen Gebrauchsgegenstand ansieht, dann stört auch der Gebrauch der gotteslästerlichen Kaisermünze nicht das Verhältnis zu dem einzig wahren Gott.
Denken wir darüber nach, in wie weit wir uns von Äußerlichkeiten bestimmen lassen und was konkret es sein könnte, das wir Gott geben können.

Mt 22,34-40 – Liebe!
Sie fragten Jesus: Welches Gebot ist das wichtigste? Jesus antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.
Gott muß im Leben immer an erster Stelle stehen. Wir sollen ganz für Gott da sein, mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit allen Gedanken. Jesus will keine Halbheiten. Unser Leben soll ein ganzes und stimmig sein, und der Mittelpunkt, um den es sich dreht, ist Gott.
Nun ist es ja Gott selbst, der uns als Menschen geschaffen hat. Wenn unser Leben sich ganz um Gott dreht, dann ist es gerade nicht so, dass wir nicht mehr für diese Welt da wären, sondern gerade durch die Ausrichtung auf Gott können wir erst als richtige Menschen in der Welt leben.
Wenn wir Gott in unsere Beziehung mit hinein nehmen, wird er sie segnen und uns in den Krisen helfen. Wenn wir Gott mit an den Arbeitsplatz nehmen, wird er unsere Arbeit segnen und ihr Gelingen schenken. Freilich bleiben wir als Menschen immer auch anfällig für Leid und Not, aber auch dahin dürfen wir Gott mit hinein nehmen und wir dürfen vertrauen, dass Gott selbst Leid und Not nicht fern sind. Wenn wir Gott in unser Leben nehmen, werden wir ein Segen sein für unsere Mitmenschen, ja wir selbst werden gesegnet sein. Wenn wir mit uns selbst im Reinen sind und Gott in unserem Herzen tragen, dann geht die Liebe, die Gott uns schenkt, hinaus in die Welt.

Mt 25,1-13 - Die zehn Jungfrauen - Entscheidende Augenblicke
Es gibt Momente, die ein Leben verändern können, positiv und negativ. Zur rechten Zeit am rechten Ort, die richtige Entscheidung im richtigen Moment, das kann einen weiter bringen. Manchmal hat man es im Gefühl, dass etwas Entscheidendes passiert. Es gibt aber auch Momente, die vieles ins Negative wenden können, eine verpasste Chance, eine kurze Unaufmerksamkeit, durch die ein Unfall geschieht... Auch wenn wir es uns immer wieder vornehmen, wachsam zu sein und aufzupassen, kann uns doch eine unerwartete Situation überraschen und dann gilt es, richtig zu handeln.
Im heutigen Gleichnis von den zehn Jungfrauen (Mt 25,1-13) erzählt uns Jesus von einem solchen entscheidenden Augenblick. Zehn Jungfrauen haben die ehrenvolle Aufgabe, dem Bräutigam mit ihren Lampen nach Hause zu leuchten. Das Problem dabei ist, dass niemand genau weiß, wann der Bräutigam kommt. Die eine Hälfte der Jungfrauen denkt sich, es wird schon werden und macht sich keine großen Gedanken um das, was da kommen mag. Sie rechnen nicht damit, dass der Bräutigam erst dann kommen könnte, wenn das Öl ihrer Lampen zur Neige gegangen ist. Ein fataler Fehler.
Vielleicht kennen wir das. Die Gewohnheit und eine gewisse Neigung zur Faulheit lassen uns gewisse Situationen ziemlich unbedarft angehen. Vielleicht hören wir noch eine innere Stimme, die uns zu mehr Wachsamkeit mahnt, aber dann denken wir doch: Das ist bisher immer gut gegangen, warum soll es jetzt anders sein. Und dann passiert doch etwas, das wir hätten vorhersehen und abwenden können, wenn wir etwas aufmerksamer gewesen wären.
Dumm gelaufen. Selbst wenn es oft dann doch einigermaßen glimpflich ausgehen kann, bleibt der Ärger, etwas falsch gemacht zu haben. Auch die fünf törichten Jungfrauen werden sich sehr geärgert haben, als sie vor der verschlossenen Tür des Hochzeitssaales gestanden haben.
Nehmen wir uns daher für unser Leben die klugen Jungfrauen zum Vorbild! Sie haben sich einen Vorrat an Öl mitgenommen. Wenn der Bräutigam nicht so spät gekommen wäre, dann wäre das überflüssig gewesen. Nun aber haben sie das einzig richtige getan. Sie haben vorausschauend gedacht und klug geplant. Wir dürfen uns im Leben nicht darauf verlassen, dass immer alles gut geht, wir müssen für jede Situation viele mögliche Ereignisse einplanen und uns so gut wie möglich darauf vorbereiten. Oft mag diese Sorgfalt überflüssig erscheinen. Irgendwann kommt aber sicher der Fall, wo sie berechtigt war. Dann wird sich zeigen, wer faul und nachlässig geplant hat und wer klug und umsichtig gewesen ist.
Es kommt darauf an, stets so gut wie möglich auf den entscheidenden Augenblick vorbereitet sein, in den alltäglichen Dingen des Lebens, aber auch wenn es darum geht, den Willen Gottes zu tun. Seid wachsam! Diese Mahnung Jesu sollten wir uns immer vor Augen halten.

Mt 25,14-30 - Talente
Talent ist im heutigen Gleichnis die Bezeichnung für eine ungeheuere Menge an Silbergeld. Ein reicher Mann teilt acht Talente an drei seiner Diener aus. Einer bekommt fünf, ein anderer zwei und einer nur eines. Er traut jedem zu, das Beste damit zu machen, die Menge entspricht den Fähigkeiten jedes einzelnen, so heißt es. Die beiden „talentiertesten“ wissen auch gut mit ihrem Schatz umzugehen und schaffen es, die Geldmenge zu verdoppeln. Nur der, der nur ein Talent erhalten hat, vergräbt es und läßt es ungenutzt. Als nun der reiche Mann zurück kommt, lobt der die beiden, während der dritte übelst verstoßen wird.
Was will uns Jesus damit sagen? Zunächst denken wir vielleicht, der Herr ist ja selber schuld, wenn er dem einen nur ein Talent gibt. Hätte er ihm mehr gegeben, dann hätte er auch mehr daraus gemacht. Aber stimmt diese Denkweise? Ein Talent ist eine ungeheuere Summe. Würden bei uns drei Leute Geld bekommen, einer fünf, einer zwei und einer „nur“ eine Million, so würden wir doch nicht sagen, dass eine Million zu wenig wäre, um etwas vernünftiges daraus zu machen.
Jeder bekommt nach seinen Fähigkeiten, alle drei haben etwas bekommen. Der Herr traut jedem zu, aus dem, was er hat, etwas zu machen. Das ist das tröstliche an diesem Evangelium. Ich denke, jeder Mensch, der in die Welt kommt, ist ein auf ungeheuere Weise beschenkter. Schon allein das Geschenk, leben zu dürfen, ist unbezahlbar. Doch ist es genau so eine Tatsache, dass das Leben schwer ist. Manche scheinen begünstigt, sind gesund, glücklich und vielleicht auch noch reich, andere sind krank, arm, depressiv ... Ist es da nicht ein Hohn zu sagen: Mach etwas aus deinem Leben?
Wir hören aber auch immer wieder, dass es Menschen gibt, die am Boden waren, im Leben am Ende, die aber wieder aufgestanden sind, die es geschafft haben, zu leben, dass selbst Menschen in schwerer Krankheit durch die Annahme ihres Leids im tiefsten Elend doch etwas vom Glück spüren durften. Das ist die Hoffnung, die uns Gott gibt. Gott will, dass wir bewußt leben. Gott will nicht, dass wir alles einfach so hinnehmen, wie es ist, dass wir im Alltagstrott erstarren. Das hieße das Talent vergraben. Soll alles bleiben wie es ist ohne jede Veränderung. Wie traurig ist es zu sehen, dass viele Menschen so leben.
Die Hoffnung aber besteht darin, dass bei Gott jeder Mensch etwas aus seinem Leben machen kann. Es muß nicht das Große sein. Freilich, manchen wurde viel gegeben und von ihnen wird auch viel erwartet. Aber auch der „einfache“ Mensch hat sein Talent bekommen. Schon wenn der dritte Diener das Geld auf die Bank gebracht hätte, wäre sein Herr damit zufrieden gewesen.
Gott verlangt von uns nichts Unmögliches, aber doch soviel, wie uns möglich ist.

Mt 25,31-46 - Weltenrichter Pantokrator
Das Christkönigsfest an sich gibt es in der Kirche noch keine 100 Jahre. 1925 wurde es von Papst Pius XI. eingeführt. Dennoch ist der Inhalt dieses Festes, das Königtum Jesu Christi, schon immer fest im Glauben der Kirche verwurzelt. Christus selbst bezeichnet sich als König, doch sein Königtum ist nicht von dieser Welt. Als er vor Pilatus steht fragt ihn dieser: „Also bist du doch ein König?“ Und Jesus antwortet: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, damit ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.“ (Joh 18,36f.)
Nachdem das Christentum im römischen Reich Staatsreligion wurde, entstanden viele große Kirchen im Baustil der Basilika. Basileus, das war der Herrscher des römischen Reiches und die Basilika ist die Königshalle. Die ersten großen Kirchen wurden also den Königshallen nachempfunden. Nur stand in der Apsis, dem halbrunden Abschluß des Gebäudes, nicht mehr der Thron des Kaisers, sondern der Altar und darüber befindet sich ein riesiges Mosaik, in dem Christus als Pantokrator, als Allherrscher, dargestellt wird. Nicht der Kaiser ist der oberste Herr des Reiches, sondern Christus ist Herr über die ganze Welt und jedes ihrer Reiche. So hat man dann später auch die Könige als von Gottes Gnaden bezeichnet, die gleichsam im Auftrag des einen Herrschers, Christus, ihre Herrschaft ausüben.
Sicher verbinden viele mit dem Begriff Gottesgnadentum wie auch mit dem Begriff König an sich gemischte Gefühle. Woran denken wir, wenn wir heute den Begriff König hören? An eine frühere, heute unzeitgemäße Herrschaftsform? An die Stories aus der Regenbogenpresse, in denen Details aus dem Leben der Mitglieder heute noch existierender Herrscherhäuser publikumswirksam vermarktet werden? An alte Zeiten, an den Glanz der Monarchien in den Ländern Europas? Oder an die Könige aus unseren Märchenbüchern? Vielleicht mag ja die Sehnsucht nach einem guten und gerechten König, der für eine gerechte Ordnung in seinem Land sorgt, in uns sein. Dieser steht oft aber die Angst vor einem Willkürherrscher und die Abneigung gegen den Prunk der Herrscherhäuser, der oft auf Kosten der Bevölkerung ging, gegenüber. Ideal und Wirklichkeit stimmen beim Königtum selten überein. Auch an den Königen der Geschichte, die wir die „Großen“ nennen, lassen sich so manche Schattenseiten finden.
Vielleicht können wir einen Zugang zum Christkönigsfest finden, wenn wir in Christus den idealen König sehen, der ganz ohne Schattenseiten ist. Was wäre das Charakteristikum dieses Königs? Ich meine, er muß die Macht und die Güte in sich vereinen. Gerade die Verbindung von Macht und Güte zeichnet einen idealen Herrscher aus. Macht ohne Güte führt zu Willkür und Ungerechtigkeit, Güte ohne Macht aber kann das Gute nicht durchsetzen. Wir glauben, dass Gott allmächtig ist und dass er die vollkommene Liebe und Güte ist. Daher müßte es doch die Sehnsucht aller Menschen guten Willens sein, unter der Herrschaft dieses Gottes zu leben.
Absolute Macht und Güte begründen aber noch ein drittes, nämlich die Möglichkeit einer absoluten Wahrheit. Christus selbst bezeichnet als Ziel seines Königtums, für die Wahrheit Zeugnis abzulegen. Gott ist die absolute Wahrheit. Gott hat die Spuren dieser Wahrheit in seine Schöpfung gelegt und dem Menschen mit dem Verstand ein Werkzeug an die Hand gegeben, diese Wahrheit zu ergründen. Dass Gott die absolute Wahrheit ist, das ist die Bedingung der Möglichkeit jeder Wissenschaft. Die Welt ist nicht aus Zufall und Willkür entstanden, sondern hat als Schöpfer den allmächtigen und guten Gott, der in sie seine Ordnung gelegt hat. Wir glauben, dass Gott Vater alles durch Christus, den Sohn geschaffen hat. In Christus ist alles geschaffen und alles hat in ihm Bestand. Die ganze Schöpfung ist durch Christus. Dies ist der letzte Grund seines Herrscheranspruchs über die Welt.
Als vollkommen mächtig, gut, gerecht und wahr ist Christus auch der Garant für die Gerechtigkeit in dieser Welt. Als Allherrscher wird er oft mit dem Buch des Lebens in der Hand dargestellt, dem Buch, in dem bei Gott die Gerechten eingeschrieben sind.
Heute hören wir das Evangelium vom Endgericht (Mt 25,31-46). Alle Menschen müssen vor das Gericht des Menschensohnes Jesus Christus treten. Was sind die Kriterien, nach denen Christus richtet, die Kriterien der absoluten Wahrheit? Jesus fragt danach, ob wir den Hungrigen zu essen, den Durstigen zu trinken, den Nackten Kleidung gegeben haben. Ob wir Fremde und Obdachlose aufgenommen und Kranke und Gefangene besucht haben. Denn alles, was wir für irgendeinen Menschen tun, das tun wir für Christus. Diese wenigen Sätze Jesu zeigen, worauf es im Leben wirklich ankommt. Es ist sicher nicht das, was in unserer Gesellschaft, die sich doch als all so menschenfreundlich bezeichnet, das wichtigste ist. Ist es für uns wichtig?
Möge Gott uns helfen, dass wir voll Zuversicht vor das Gericht des vollkommen liebenden und guten Herrschers treten können.